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Sagenhaftes von der Frankfurter Buchmesse

Der Goldregenpfeifer ist auf Island weiblich und hört auf den klangvollen Namen Lóa. In Gedichten und Liedern wird die Lóa besungen, denn sie kündigt den Frühling an – ob ihr männliches Pendant in Deutschland im oder zum Goldregen pfeift, weiss niemand so genau.

Die isländische Schriftstellerin Steinunn Sigurdardóttir, die am Beispiel der Lóa die Unmöglichkeit aufzeigt, bestimmte Worte in eine andere Sprache zu übersetzen, vermag als Isländerin diesem Manko auch einen positiven Aspekt abzugewinnen: „Ein übersetztes Buch ist ein anderes Buch, daher gibt es viel mehr Bücher als bisher angenommen.“

Steinunn Sigurdardóttir (Herzort, Liebe der Fische, Sonnenscheinpferd) und Sjón (Schattenfuchs) vertraten die isländischen Autoren auf der Pressekonferenz, die „Sagenhaftes Island“ gestern auf der Frankfurter Buchmesse veranstaltete. Seit zwei Jahren bereitet „Sagenhaftes Island“ intensiv den Gastauftritt Islands für die Buchmesse 2011 vor.

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Kleine Insel- Grosse Geschichten: “Sagenhaftes Island” auf der Frankfurter Buchmesse 2010.

Diesjähriger Ehrengast ist Argentinien und so erwähnt Juergen Boos, der Direktor der Frankfurter Buchmesse, zu Beginn der Pressekonferenz die Faszination, die die isländische Sprache und Literatur auf den argentinischen Dichter Jorge Luis Borges ausübte und die am letzten Messetag auch Gegenstand einer Diskussion zwischen María Kodama, der Witwe von Borges, und dem isländischen Schriftsteller Gudbergur Bergsson sein wird.

Islands Kulturministerin Katrín Jakobsdóttir, die vor sechs Jahren ihre Dissertation über den bekannten Krimi-Autor Arnaldur Indridason verfasst hat, spannt den Bogen von den Sagas zur heutigen Kriminalliteratur. Der Etat von „Sagenhaftes Island“ sei der einzige, der trotz Wirtschaftskrise nicht gekürzt wurde. Die Krise habe im Leseland Island die erfreuliche Auswirkung, dass noch mehr gelesen werde.

Island, so betont der Direktor von „Sagenhaftes Island“, Halldór Gudmundsson, definiert sich seit je her über die Literatur. Die Erzähltradition hat Island in den dunkelsten Zeiten intellektuell am Leben gehalten. Gudmundsson berichtet von drei Priestern, die im katastrophenreichen 18. Jahrhundert unabhängig voneinander baskische Wörterbücher verfassten, um in den abgelegenen Fjorden mit baskischen Seeleuten kommunizieren zu können.

Die isländische Sprache, die sich seit dem Mittelalter kaum verändert hat, macht es möglich, dass die im 13. und 14. Jahrhundert entstandenen Sagas noch heute zum lebendigen Kulturerbe der Isländer zählen. Die Neuübersetzung der Isländersagas ist eines der wichtigsten Projekte für 2011, die „Sagenhaftes Island“ mit dem S. Fischer Verlag und mit Unterstützung der Kunststiftung NRW realisiert.

„Sagenhaftes Island“ mit je einem Büro in Reykjavík und Berlin besteht aus einem isländisch-deutschen Team, dem unter anderem der bisherige Leiter des Literaturhauses Köln, Thomas Böhm, angehört sowie Matthias Wagner K, künstlerischer Leiter der Biennale für internationale Lichtkunst im Rahmen der Kulturhauptstadt RUHR.2010, der nun das umfangreiche kulturelle Rahmenprogramm um den Ehrengastauftritt organisiert.

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An den Quellen der nordischen Literatur: Halldór Gudmundsson, Direktor von “Sagenhaftes Island”.

Isländische Literatur beschäftige sich mit existenziellen Grundfragen und der Auseinandersetzung mit der Natur, daher kombiniere „Sagenhaftes Island“ in seiner Präsentation Natur und Literatur, berichtet Thomas Böhm auf der Pressekonferenz. Und so findet man am isländischen Messestand oder auf der Internetseite www.sagenhaftes-island.is zum Beispiel ein aufgeschlagenes Buch unter der Aschewolke des Eyjafjallajökull.

Island sei überhaupt nicht klein, beharrt Böhm im Hinblick auf das Ehrengast-Motto „Kleine Insel – grosse Geschichten“. In der Tat, der Buchmarkt lslands ist beeindruckend produktiv: Es gibt fünf Verlage mit einem Jahresumsatz von mehr als 1 Million Euro und zahllose kleine. Je 1870 Einwohner werden von einem Verleger versorgt und auf jeden Bürger kommen rechnerisch acht Bücher, denn jährlich werden auf Island etwa 2,5 Millionen Bücher verkauft. 2009 wurden 1674 Titel produziert, die Tendenz ist steigend.

Bis zur nächstjährigen Buchmesse in Frankfurt werden rund 100 Neuerscheinungen isländischer Bücher in deutscher Übersetzung erscheinen. Neben den Sagas sind das insbesondere Werke zeitgenössischer Autoren. Einar Kárason, Kristín Marja Baldursdóttir, Arnaldur Indridason und andere sind bereits in Deutschland bekannt, Audur Jónsdóttir, Gudrún Eva Mínervudóttir, Steinar Bragi und weitere Autoren gilt es zu entdecken. Auch Vertreter der in Island sehr geschätzten Lyrik, Linda Vilhjálmsdóttir und Gyrdir Elíasson, werden 2011 dabei sein.

Am kommenden Sonntag wird Argentinien die so genannte Gastrolle an Island übergeben. Für den Eintrag in diese Rolle wurde aus mehreren Vorschlägen eine Passage aus dem Roman Möttull konúngur eda Caterpillar von Thorsteinn frá Hamri ausgewählt. Der Schriftsteller gilt als einer der bedeutendsten isländischen Lyriker der Gegenwart, der in Deutschland aber wohl weiterhin der Entdeckung harrt. Die Passage beginnt mit den Worten:

„Meine Mutter war arm und konnte mir nichts geben außer Poesie, das war alles, was sie besaß und kannte, ein Erbe von unzähligen vergessenen Müttern und Großmüttern aus vergessenen Tälern und Fjorden; Gedichte und Strophen, die der Wind verfasst zu haben schien …“

Hier finden Sie einen ausführlichen Bericht zur Neuausgabe der Isländersagas.

Bericht und Fotos: Bernhild Vögel.

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