Das staatliche Energieunternehmen Landvirkjun hat vor zwei Wochen angekündigt, im Sommer nächsten Jahres werde mit dem Bau des Kraftwerkes Bjarnarflagsvirkjun begonnen. 2014 soll es bereits 45 Megawatt Strom aus den Geothermalfeldern östlich des Mývatn liefern.
Abwasserkanal am Bjarnaflag. Links im Hintergrund die neuen Bohrlöcher, Foto: bv.
Der See Mývatn ist eine „einmalige Schöpfung der Natur“ (Helgi Gudmundsson) und eine der grössten Touristenattraktionen Islands. Der flache See wird von Quellen gespeist, die durch die junge Lava rinnen und reich an Nährstoffen sind.
Das Sonnenlicht durchdringt das glasklare Wasser mühelos und sorgt für das reichhaltige Leben im See, das wiederum Nahrungsgrundlage für zahllose Vogelarten ist.
Die Zahl der Menschen, die den Mývatn und seine unmittelbare Umgebung, die Erdspalten und Lavafelder, die heissen Schlammquellen Hverarönd, den Krater Hverfell und das Krafla-Gebiet besuchen, wächst von Jahr zu Jahr.
Das geplante Geothermalkraftwerk am Bjarnarflag – wenige Kilometer vom See entfernt zwischen dem Berg Námafjall und dem Naturbad Jardbödin – soll bis zu einer Leistung von 90 Megawatt ausgebaut werden.
Der Strom ist für die von dem amerikanischen Konzern Alcoa projektierte Aluminiumfabrik Bakki bei Húsavík bestimmt. Sie benötigt auch die Elektrizität aus dem Krafla-Kraftwerk, das von 60 auf 150 Megawatt aufgerüstet werden soll, und zwei weiteren Kraftwerken, Theistareykir und Gjástykki.
Auch für Theistareykir ist der Baubeginn schon angekündigt. Die Bohrungen für Gjástykki sind zurückgestellt, nachdem der Umweltschützer Ómar Ragnarsson eine Dokumentation über das einzigartige Lavagebiet vorgelegt hat.
Die isländische Landesplanungsbehörde stellte in ihrem Bericht zur Umweltverträglichkeitsprüfung Ende vergangenen Jahres fest, das Krafla- und Theistareykir-Projekt erhöhe Islands CO2-Emission erheblich und verursache schwerwiegende und irreversible Umweltschäden.
Betroffen ist das Gebiet um den Kratersee Víti, das Leirhnjúkur-Geothermalgebiet und das benachbarte junge Lavafeld.
Bei einem Geothermalkraftwerk wird die Flüssigkeit aus dem Erdinneren in Wasser und Dampf geschieden. Der Dampf treibt die Turbinen an.
Das heisse Wasser kann zur Beheizung von Häusern und Gewächshäusern verwendet werden. Es enthält Schadstoffe wie Arsen und wird in modernen Anlagen wieder ins Erdinnere zurück befördert.
Am Bjarnarflag sind die Bohrungen für das neue Kraftwerk bereits in den letzten Jahren erfolgt. Doch das Abwasser aus den Bohrlöchern fliesst in einem offenen Kanal Richtung See. Auch im Krafla-Gebiet versickert das Abwasser aus den Bohrlöchern. Gefahr für den Mývatn und das Grundwasser bestehe nicht, versicherte Landsvirkjun.
Das Vulkangebiet der Krafla ist äusserst aktiv. Am alten 3-Megawatt-Kraftwerk am Bjarnarflag gab es beim letzten Ausbruch der Krafla erhebliche Schäden. Die so genannten Krafla-Feuer dauerten von 1975 bis 1984.
Wegen des Risikos eines Ausfalles der geothermalen Energie muss wahrscheinlich auch Wasserkraft für die Stromversorgung des Aluminiumwerkes Bakki bereitgestellt werden. Was das für die gesamte Region zwischen dem Mývatn und Húsavík bedeuten könnte, lässt sich am Beispiel des Staudamms Kárahnjúkur studieren.
„Was bleibt, wenn alles verkauft ist?“ Aus welchen Gründen und mit welchen Folgen Island ausländische Aluminiumkonzerne ins Land holt, darüber hat Andri Snaer Magnason bereits 2006 das vielbeachtete Buch Draumalandid geschrieben.
Nachdem er dafür im vergangenen Jahr in Hamburg den Kairos-Preis bekommen hat, ist „Traumland“ nun auch auf Deutsch erschienen.
Bernhild Vögel
Andri Snaer Magnason: Traumland. Was bleibt, wenn alles verkauft ist?, orange press 2011
Helgi Gudmundsson: Der See Mývatn und seine Umgebung, Forlagid, Reykjavík 2002