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Mordfälle: Experten-Arbeitsgruppe rät zu Wiederaufnahmeverfahren

court_gavel_familycourtservicesEine vom Innenminister gebildete Arbeitsgruppe, die die Ermittlungsarbeit, den Prozess sowie die Urteile nach dem Verschwinden von Guðmundur Einarsson und Geirfinnur Einarsson im Jahr 1974 untersuchen sollte, hat nun ihre Ergebnisse vorgelegt.

Sie empfiehlt die Wiederaufnahme der Fälle von sechs Personen, die verurteilt wurden, weil sie die beiden getötet haben sollen.

Im Bericht heißt es, die Aussagen der sechs Angeklagten Erla Bolladóttir, Sævar Marínó Ciesielski, Kristján Viðar Viðarsson, Tryggvi Rúnar Leifsson, Albert Klahn Skaftason und Guðjón Skarphéðinsson seien sowohl während der Vernehmung als auch im Prozess zweifelsfrei entweder unzuverlässig oder falsch gewesen, wie Fréttablaðið berichtet.

Die Schlussfolgerung der Autoren, darunter Gísli Guðjónsson, einer der weltweit erfahrensten forensischen Psychologen und der Psychologie-Professor Jón Fr. Sigurðsson, ist, dass die sechs Personen, die des Mordes an Guðmundur und Geirfinnur angeklagt waren, wahrscheinlich gar nichts mit deren Verschwinden zu tun hatten. Auch die Leichen wurden nie gefunden.

Gísli erklärte, er habe an mehr als 1.000 Fällen gearbeitet, in denen er den Wahrheitsgehalt von Zeugenaussagen bewerten musste, doch es sei nie schwieriger gewesen als in diesem Fall.

Was die Arbeitsgruppe als sehr ungewöhnlich einstuft ist die Tatsache, dass die Angeklagten mehrere Wochen oder Monate lang in Isolationshaft saßen. „Es ist hinlänglich bekannt, dass längere Zeit in Isolation schwerwiegende Auswirkungen auf die Gedanken der Menschen und deren psychischen Zustand haben kann“, ist im Bericht zu lesen.

Gísli erklärte, nirgendwo sonst als im US-Gefangenenlager Guantanamo Bay hätten Angeklagte jemals so lange in Isolationshaft verbringen müssen.

Der Bericht wies darauf hin, alle sechs Verdächtigen seien häufig und ganz formlos in ihren Zellen vernommen worden, manchmal bei Nacht und für lange Zeit am Stück.

„Dies ist ein schwerwiegender Fehler und zeigt, dass es überhaupt nicht möglich ist, sich ausschließlich auf die Aussagen der Angeklagten zu verlassen. Solche Arbeitsmethoden erhöhen das Risiko, dass Angeklagte sich zu Taten bekennen, die sie gar nicht begangen haben und von denen sie nicht einmal wussten.“

Es gab Abweichungen zwischen den Aussagen über die angeblichen Ereignisse und die Angeklagten veränderten oft ihre Aussagen, was die Ermittler dahingehend interpretierten, dass die Beschuldigten die Sache verkomplizieren wollten.

„Es scheint, als ob die Ermittler keine anderen Möglichkeiten in Betracht zogen, als dass die Angeklagten schuldig waren. Es ist viel wahrscheinlicher, dass die Abweichungen in den Aussagen daraus resultierten, dass die Angeklagten keine Ahnung von den Taten und auch gar nichts mit ihnen zu tun hatten“, schlussfolgert die Arbeitsgruppe.

„Es war ein Fehler, diese Personen zu verurteilen“, meinte Gísli, forensischer Psychologe und einer der Autoren des Berichts.

Die Arbeitsgruppe schlägt drei mögliche Wege vor, die Fälle neu aufzurollen: Die Staatsanwaltschaft untersucht, ob es Gründe gibt, dies zu tun, die Angeklagten selbst versuchen, unterstützt durch öffentliche Mittel, eine Wiederaufnahme zu erreichen, oder dem Parlament wird ein entsprechender Antrag vorgelegt.

„Eine Arbeitsgruppe zu ernennen, die einen solchen Bericht erarbeitet, heißt an sich schon, ihre Sache anzuerkennen“, meinte Innenminister Ögmundur Jónasson, als er gefragt wurde, ob es Grund für ihn oder andere offizielle Stellen gebe, sich bei den Angeklagten zu entschuldigen. „Und der Bericht selbst ist eine Art Entschuldigung. Mit anderen Worten, die Gesellschaft reagiert sehr ernsthaft in dieser Angelegenheit.“

Ögmundur möchte auf eine Stellungnahme der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der nächsten Schritte warten, bevor er irgendwelche Entscheidungen trifft. „Wir müssen auch abwarten, was die Angeklagten wollen, ob sie die Initiative ergreifen wollen.“

Der Abgeordnete Björgvin G. Sigurðsson, der dem Ausschuss für juristische Angelegenheiten und Bildung des Parlaments Alþingi vorsitzt, lud zu einem Treffen zwischen Vertretern der Arbeitsgruppe und dem Ausschuss ein.

Sie werden darüber sprechen, welche Gesetzesänderungen notwendig würden, wolle man beispielsweise auch die Fälle der beiden neu aufrollen, die bereits verstorben sind.

Ein Bericht über die Ergebnisse der Arbeitsgruppe in RÚVs Nachrichtensendung Kastljós beinhaltete die folgende Übersicht über die damaligen Verurteilungen im Jahr 1980:

Erla Bolladóttir verbrachte 239 Tage in Untersuchungshaft und wurde zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe wegen Mittäterschaft an Geirfinnurs Tod verurteilt.

Sævar Marínó Ciesielski verbrachte 1.533 Tage in Untersuchungshaft, 615 davon in Isolationshaft, und wurde zu einer 17-jährigen Gefängnisstrafe wegen Mittäterschaft an sowohl Guðmundurs als auch Geirfinnurs Tod verurteilt.

Kristján Viðar Viðarsson verbrachte 1.522 Tage im Gefängnis, 503 davon in Isolationshaft, und wurde zu einer 16-jährigen Gefängnisstrafe wegen Mittäterschaft an sowohl Guðmundurs als auch Geirfinnurs Tod verurteilt.

Tryggvi Rúnar Leifsson verbrachte 1.522 Tage in Untersuchungshaft, 655 davon in Isolationshaft, und wurde zu einer 13-jährigen Gefängnisstrafe wegen Mittäterschaft an Guðmundurs Tod verurteilt.

Albert Klahn Skaftason verbrachte 87 Tage in Untersuchungshaft und wurde zu einer einjährigen Gefängnisstrafe wegen Mittäterschaft an Guðmundurs Tod und seine Verschleierung verurteilt.

Guðjón Skarphéðinsson verbrachte 1.202 Tage in Untersuchungshaft, 412 davon in Isolationshaft, und wurde zu einer zehn jährigen Gefängnisstrafe wegen Mittäterschaft an Geirfinnurs Tod verurteilt.

Vier von Sævars fünf Kindern, Hafþór Sævarsson, Sigurþór Sævarssonar, Victor Blær Jensen und Lilja Rún Jensen, waren bei der Vorstellung des Berichts der Arbeitsgruppe anwesend. Sie streben an, dass der Name ihres Vaters reingewaschen wird.

Hafþór, ein Jurastudent, erklärte, es sei großartig, dass die offiziellen Stellen endlich anerkennen, dass die Aussagen der damals Angeklagten nutzlos waren. „Es ist traurig, dass [mein Vater] nicht hier bei uns ist. Aber ich bin froh, dass sein Kampf nun Früchte trägt.“

Sævar, der 2011 starb, versuchte 1996 erfolglos, dass sein Fall neu aufgerollt wurde.

Tryggvi, er starb 2009, führte in der Untersuchungshaft Tagebuch. Es wurde 2011 veröffentlicht und war einer der Gründe für die Bildung der Arbeitsgruppe zur Untersuchung der Fälle.

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