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Mit 72 zum ersten Mal nach Reykjavík

Reykjavíker sollten ihren Autobestand um die Hälfte verringern. Das findet der 72-jährige Milchbauer Guðmundur Ármansson auf Vað im Skriðdalur im Osten des Landes, der dieser Tage zum ersten Mal in seinem Leben in die Landeshauptstadt reisen musste.

Bislang war er der isländischen Hauptstadt nicht näher als bis zum Skálafellsjökull gekommen, wo es vor 20 Jahren nur Schneeschlitten gab.

Nach dem Morgenmelken war er am vergangenen Dienstag in Egilsstaðir ins Flugzeug gestiegen, um sich in Reykjavík von einem Augenspezialisten untersuchen zu lassen, nachdem er an Pfingsten von einem Kuhschwanz so heftig am Auge verletzt worden war, dass eine Behandlung notwendig wurde.

“Es gab also nur zwei Möglichkeiten, und keine von beiden war gut. Entweder das Sehvermögen verlieren, oder nach Reykjavík fahren,” kommentierte der Milchbauer in einem Interview mit RÚV.

Und wie hat ihm Reykjavík gefallen?

“Zum Glück hab ich ja nur wenig gesehen, als ich aus dem Krankenhaus kam, nach der Untersuchung konnte ich die Augen kam öffnen. Da ist natürlich viel Verkehr in Reykjavík. Der Verkehr ist Chaos und man konnte sich vorstellen, dass die Hälfte all dieser Autos zuviel auf den Strassen ist,” findet Guðmundur, der sich auch wundert, wie wenig Menschen er ausserhalb der Autos sah. “Eigentlich waren gar keine Menschen auf diesen Strassen unterwegs. Und obwohl ich nun schlecht sehen kann, hätte ich doch Leute sehen müssen. Aber da waren nur Autos und vielleicht ein oder zwei Menschen in jedem Auto.”

Milchbauer Guðmundur flog am selben Tag noch mit der Abendmaschine nach Hause, nachdem er bei Verwandten Kaffee getrunken hatte. Für die Reykjavíker spart er nicht mit Ratschlägen.

“Für den Anfang sollten sie mal ihren Autobestand halbieren. Und vielleicht die Leute mehr aus der Stadt rausbringen. So wird das nicht lange gutgehen.”

Ein Milchbauer ist an seine Kühe gebunden, erklärt Guðmundur. Er sei zwar ein paar Mal nach Akureyri gekommen, aber nie weiter, weil er es nicht gebraucht habe. “Man ist sich immer selbst genug gewesen, wo man stand. Ich habe eine Milchwirtschaft und bin gebunden. Und wenn man keine Abösung dafur hat, dann ist das eben so.”
Vor vielen Jahren hatte er einmal angekündigt, er werde nach Reykjavík fahren, wenn der Bau des Wasserkraftwerkes Kárahnjúkarvirkjun (im ostisländischen Hochland) gestoppt würde. “Das ist natürlich was Besonderes, dass ein Milchbauer so einflussreich werden kann und so in den Gang der Dinge eingreifen kann,” meint der Milchbauer aus Vað im Skriðdalur.

Ehefrau Gréta Osk Sigurðardóttir sieht die ganze Sache etwas nüchterner. “Er war natürlich jungenhaft und verlegen und sehr beschützt hier auf dem Hof hinter seinen Kühen. Nun musste er sich aufmachen, und ich hatte das Gefühl, einen unschuldigen Jungen ziehen zu lassen. Als er zurück kam, war er ein anderer Mann, der aus dem Flugzeug stieg. Er erinnerte mich an einen Filmschauspieler oder Firmenboss, hartgesotten und eigentlich viel zu selbstsicher. Wie so ein Weltbürger oder Schauspieler, da fehlte nur noch die Sonnenbrille. Und jetzt ist er eigentlich unerträglich. Ich bitte euch, da keine grosse Sache draus zu machen, er prahlt derart herum, dass die Hälfte auch ausreicht.”

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