Heute morgen fanden – wegen Sturmschäden zwei Stunden später – die Vorentscheidungen für die Fünfgangprüfung statt. Gezeigt werden in dieser Prüfung die Grundgangarten Schritt, Trab und Galopp, dazu Tölt in zwei Tempi, sowie an zwei langen Geraden Rennpass. Tölt und Rennpass werden doppelt gewertet. Die Fünfgangprüfung ist insgesamt temporeicher und spritziger
WM-Vorentscheidungen sind immer ein Wechselbad der Emotionen. Hier sieht man die ganze Palette der internationalen Reiterei, von starken Teilnehmerländern mit hervorragendem Pferdematerial bis hin zu Ländern, die nur einen Reiter schicken können, von aufgeregten Jugendlichen, die Aufgabenteile patzen bis hin zu Routiniers – von grobem Reiten bis hin zu echter Reitkunst. Die Reiter dürfen sich ihre Prüfungsmusik stets selber aussuchen, und auch hier variiert es von klassischer Musik bis hin zu hartem Technobeat.
Jeder Teilnehmer, jedes Pferd, jedes Lied malt sein eigenes Bild, hinterlässt ein Gefühl, eine Erinnerung – nichts ist gleich. Dann verschwinden die Zwischentöne, und im Finale trifft sich eine Klasse auf gleichem Niveau. Die Vielfalt der Bilder ist dahin.
Bilder etwa wie das der Französin Nadia des Courtis auf Ós von Árnaholt. Sie präsentierte keine hochspektakuläre Bewegung, dafür ein gut gerittenes, durchlässiges Pferd, welches am Zügel war und keinen Grund hatte, sich gegen die Hand seiner Reiterin zu wehren. Ihr Ritt war makellos und wunderschön.
Nadia des Courtis auf Ós von Árnaholt. Foto: Henk Peterse
Unter den 45 Teilnehmern gab es 15 junge Reiter, auf die die gleiche Beobachtung zutrifft wie gestern – sie gehen eher vorsichtig mit ihrem Pferd um, reiten nicht auf Sieg und haben nicht genug Erfahrung, um auf solcher Bühne mit einem durchgehenden Pferd umzugehen. Die Frage muss gestattet sein, ob es auf junge Menschen motivierend wirkt, mit Weltmeistern zusammen zu starten, oder eher einschüchternd.
Auffallend an diesem Morgen waren die Feuerwerkskörper aus Island. Jedesmal, wenn eins der Inselpferde die Arena betrat, schien sie in Flammen aufzugehen. Das Publikum feierte seine Lieblinge, und jeder einzelne Ritt der Isländer hob sich nicht nur in Bezug auf Musikauswahl, sondern auch auf Reitstil deutlich von den anderen ab.
Jakob Svavar Sigurðsson auf Alur frá Lundum. Foto: Henk Peterse
Kraft und Bewegung der isländischen Pferde sind gewaltig, schier überwältigend, mit ihnen scheint kalter Nordwind durch die Arena zu fegen. Das fühlt nur, wer live dabeigewesen ist.
Herausragend, weil nah am Pferd, ist hier der Ritt von Jakob Svavar Sigurðsson auf Alur frá Lundum zu bewerten. Jakob hat Alur aufgebaut, und trotz des sportlichen Stils sah man bei den beiden Harmonie in großer Schönheit.
Magnús Skúlason auf Hraunar fra Efri-Rauðalæk. Foto: Henk Peterse
Ähnliches gilt für den amtierenden Weltmeister, den für Schweden startenden Magnús Skúlason auf Hraunar frá Efri-Rauðalæk, der mit 7,97 Punkten weit vor allen anderen auf Platz eins landete. Der Hengst beeindruckte mit einer unglaublichen Elastizität der Hinterhand und Geschmeidigkeit in nahezu perfekten Übergängen. Die Kurven lief er trotz hohen Tempos in guter Biegung – eine echte Ausnahmeerscheinung im Islandpferdesport. Hraunar ist ein durchlässiges Pferd.
Bei allem Ehrgeiz und Erfolgsdruck gab es auch immer wieder freundschaftliche Gesten. Ein Lob, Streicheln, oder einmal anhalten und gemeinsam durchatmen, vor dem nächsten Aufgabenteil. Reiten ist vor allem teamwork.
DT