Berichte von leidenschaftlicher Liebe und unerbittlichen Fehden, von unerschütterlicher Freundschaft und schnödem Verrat, mündlich weitergegeben und ausgeschmückt von Generation zu Generation, bis sie im 13. Jahrhundert aufgeschrieben wurden – das sind die Isländersagas.
Krístin Steinsdóttir, Klaus Sander, Thomas Böhm. Foto: bv.
Eine Herausforderung für Klaus Sander, den engagierten Verleger des Berliner Hörbuchverlages supposé, der keine vorgelesenen Bücher produziert, sondern erzählte Literatur.
Und wer könnte die Njáls Saga besser erzählen als Arthúr Björgvin Bollason, der ehemalige Direktor des Sagazentrums im südisländischen Hvolsvöllur?
Doch für deutsche Hörer? Bollason hat oft erlebt, wie deutsche Touristen eine Saga-Tour buchten, ohne die geringste Ahnung zu haben, dass eine isländische Saga keine Gespenstergeschichte ist. Die kurzgefasste Inhaltsangabe einer Isländersaga, sagt Bollason schmunzelnd, lautet immer „Bauern verprügelten sich“.
Auf einer gut besuchten Veranstaltung im Felleshus, dem gemeinsamen Kultur- und Veranstaltungszentrum der fünf nordischen Botschaften in Berlin, wurden am Montag zwei bei supposé neu erschienene Hörbüchern, die Saga-Ausgabe und „Leben im Fisch“, vorgestellt.
Ausstellung “Sagenhaftes Island” im Felleshus. Foto: bv.
Der isländische Botschafter Gunnar Snorri Gunnarsson sprach einleitende Grussworte und Thomas Böhm, Programmleiter Literatur von Sagenhaftes Island, der auch an der Konzeption der Hör-CDs beteiligt war, moderierte die Veranstaltung.
Obwohl Bollason in Deutschland lebt, sei es undenkbar gewesen, die Aufnahmen hier zu machen, berichtete Klaus Sander. Für die Erzähler war es sehr wichtig, die Sagas an den Originalschauplätzen erzählen zu können.
Die Aufnahmen gestalteten sich unter diesen Umständen nicht einfach, man musste beispielsweise einmal den Windschutz eines Traktors aufsuchen und dabei das Knistern der benachbarten Heufolien in Kauf nehmen.
Ausser der Saga von Njáll und der Saga der Leute aus dem Lachsflusstal, der Laxdaela, enthalten die CDs auch Kommentare und Statements über die Bedeutung der Sagas für die Isländer heute.
Aus einem Projekt entwickeln sich immer neue Ideen, sagt Klaus Sander. Doch als Sander und Böhm mit ihrer neuesten Idee bei der Schriftstellerin Kristín Steinsdóttir in Reykjavík auftauchten, befand diese erst einmal: „So ein Quatsch! Weil ich doch kein Deutsch spreche!“
Weil sie aber gerne redet und sehr gut Deutsch spricht, liess sie sich überreden, aus ihrer Kindheit in Seydisfjördur zu erzählen. Drei CDs entstanden und finden in einer Kassette mit dem Titel „Leben im Fisch“ Platz.
„Wenn es ein Flop wird, ist das nicht meine Schuld“, dachte sich Krístin Steinsdóttir. Nun wird „Leben im Fisch“ die Hörbuchbestenliste von HR2 für den Monat April anführen, was deutlich macht, dass es sich um ein ganz besonderes Hörvergnügen handelt.
An dem kurzweiligen Abend im Felleshus gab es immer wieder Hörkostproben aus beiden CDs. In der Pause war Zeit, die Ausstellung „Sagenhaftes Island – Zeitgenössische isländische Autorinnen und Autoren im Porträt“ zu besichtigen, die in Zusammenarbeit der Isländischen Botschaft mit Sagenhaftes Island entstanden ist.
Der Journalist Pétur Blöndal befragte dazu isländische Autorinnen und Autoren und Kristinn Ingvarsson hat sie porträtiert. Die Ausstellung ist noch bis zum 3. Mai im Felleshus zu sehen.
In unserer Rubrik Kulturblick werden wir „Leben im Fisch“ und die Saga-CDs in den nächsten Wochen näher vorstellen.
Bernhild Vögel