Der isländische Reiterverband Landssamband Hestamanna (LH) hat angekündigt, das nächste Landsmót im Jahr 2016 nicht, wie ursprünglich vertraglich zugesichert, im Skagafjörður stattfinden zu lassen, sondern nach Reykjavík zu holen. Als Begründung heisst es in einem ebenfalls auf hestafréttir.is veröffentlichten Brief des LH, man befürchte mit Rückblick auf das diesjährige Landsmót in Hella, die Gegebenheiten auf dem Turniergelände in Vindheimamelar könnten den Anforderungen nicht genügen. Wirtschaftliche Interessen legten die Nutzung des hauptstadtnahen Geländes nahe. Überdies habe die Diskussion in Reiterkreisen gezeigt, dass ein Landsmót im Skagafjörður den Interessen der Reiter nicht diene. Die Ankündigung des LH hatte im Internet für heftige Diskussionen gesorgt.
Kommentar
In zweierlei Hinsicht birgt die Nachricht in der Tat Sprengstoff. Nicht nur gibt die Reiterorganisation damit zu Protokoll, dass der alte Traum vom fröhlichen Volksfest auf den Grashügeln hinweggedämmert ist, vergiftet an der immer grösser werdenden Schere zwischen Angebot (Spezialpferde) und Nachfrage (sichere Allroundtölter), gestorben möglicherweise am Kommerz.
Der eigentliche Skandal aber sitzt auf dem Rücken der in den beiden Nachrichtenlinks abgebildeten Pferde: Finalteilnehmer in Sätteln, die im Kreuzbeinbereich aufliegen und weit hinter dem Brustbein gegurtet sind. Inwieweit dienen Bilder wie diese den Interessen des Reitsports? Unterscheiden sie sich von den Bildern von aufgerissenen Pferdemäulern, die vor Jahren die Runde machten?
An diesem Wochenende findet das 59. Landsþing des isländischen Reiterverbandes statt. Die leitende Amtstierärztin Sigurborg Daðadóttir gab bekannt, dass Islands Landwirtschaftsminister ein neues Tierschutzgesetz unterzeichnet habe, nach welchem der Gebrauch der Islandstange mit Zungenfreiheit zukünftig auf Turnieren und Zuchtschauen verboten ist. Damit ist Island nach Schweden das zweite Land, wo dieses Gebiss verboten wurde. Die FEIF hatte sich geweigert, das Gebiss auf die Bannliste zu setzen.
Das isländische Verbot ist ein Meilenstein für den Tierschutz im Reitsport. Er steht jedoch im Schatten eines Steins des Anstosses: weder Tierärzte noch FEIF-Richter stören sich an jenen Sätteln, die weiter als „weiter hinten“ auf dem Pferderücken liegen und die das Reitergewicht auf den anatomisch gesehen nicht tragfähigen Teil der Wirbelsäule plazieren. Reiter werden wegen einer zu langen Gerte disqualifiziert, dürfen aber auf dem Kreuzbein ihres Pferdes sitzend zum Sieg tölten.
Zugegeben, bei einer deplazierten Sattelung fliesst kein Blut, und anders als im Maul sind körperliche Schäden schwer nachweisbar. Weder zeigen die sportlich eingenordeten Pferde Abwehrreaktionen, noch bricht ein vierjähriger Shootingstar unter seinem Reiter zusammen. Aber auch Islandpferde sind erst mit frühestens sechs Jahren ausgewachsen, und für den Sattel gibt es nachgewiesenermassen nur eine korrekte Position, ob das Pferd nun isländisch, arabisch oder spazier geritten wird.
„Ach, die sind hart im Nehmen.“ Klar.. Sie nehmen auch Fimbulwinter und Vulkanausbrüche hin, doch vor nicht allzulanger Zeit konnten sie noch normal gesattelt tölten, wie etwa das berühmte Foto des Orri frá Þúfu mit Runa Einarsdóttir im Sattel beweist.
20 Turnierjahre später muss der Reiter seinen Sattel auf die Lende legen, um Orris Rekordnoten zu brechen. Als wären die Prüfungsanforderungen für die jungen Pferde nicht ohnehin schon hart genug. Wenn FEIF-Richter und Tierärzte beim Vetcheck vor diesem Abusus die Augen verschliessen, machen sie sich ebenso schuldig wie alle passiven Teilnehmer, die manipulativ errittene Vorhandaktion bejubeln.
Es wird Zeit, wieder auf die Barrikaden zu gehen, so wie die Tierärztin Sigríður Björnsdóttir das als einsame Kämpferin mit ihren Mauluntersuchungen getan hat. Es wird Zeit für Proteste und neue Initiativen, um den Islandpferdereitsport nicht an ein Parelleluniversum zu verlieren, wie es in der amerikanischen Gangpferdeszene geschehen ist. Eine Sattelung hinter dem Schwerpunkt symbolisiert nicht nur einen schmerzhaften Fusstritt für den Partner Pferd, sie straft auch jede Rede über Balance und Versammlung schlicht Lügen. Nicht zuletzt ist sie Betrug am Zuschauer – an eben jenem, der zum Landsmót nach Reykjavík kommen soll, um dort für einen aktionsstarken Gæðingur Geld zu lassen.
Solange der Reitsport sich tierschutzrelevanter Bilder bedient und Pferde damit vermarktet, sollte es vollkommen egal sein, an welchem Ort das Landsmót stattfindet. Ein Reitsport, der Pferde auf diese Art benutzt, hat weder öffentliches Interesse noch Einnahmen verdient.