Island ist den meisten Reisenden nicht gerade als Käse-Eldorado in Erinnerung. Die grösste Molkerei des Landes geniesst eine Monopolstellung, Erzeugnisse kleiner privater Käsereien findet man allenfalls in Reykjavíker Spezialitätenläden. Dem Bónus-Käufer präsentiert Island sich als Land des Einheitsplastikkäses aus Kuhmilch.
Das war nicht immer so. Noch vor 150 Jahren wurde Schafsmilch weitaus mehr geschätzt als Kuhmilch, brachte sie doch durch ihren Fettgehalt einen höheren Ertrag für Butter und Skyr. Ein Landbesitz wurde danach bewertet, wieviel “Käse” (kostur) er hervorbrachte, nach Litern und Fett in der Milch bemessen. Erfolgreiche Schafsbäuerinnen molken 70 Auen und mehr in speziellen Pferchen, von Hand, und verbrachten den Sommer damit, Skyr, Butter und alle möglichen Käsesorten herzustellen. Im Mittelalter waren Butter und Käse eine übliche Zehntwährung, und noch im 19. Jahrhundert produzierten Bäuerinnen Bergkäse, die in Kellern reiften. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Schafmilchwirtschaft zugunsten der Fleischproduktion systematisch stillgelegt. (Quelle: Þórður Tómasson, Mjólk í mat, 2016)
Heute gibt es in Island keinen einzigen Schafbauern mehr, der seine Auen melkt, und das, obwohl die Preise für Lammfleisch dauerhaft im Keller sind. Milchertrag wird nur noch in Litern gemessen, der Wert der fettreichen Schafsmilch, der Bauern einst reich gemacht hatte, scheint für immer verloren.
Kuhmilch geht an die Molkerei, nur wenige Haushalte machen ihren eigenen Skyr. Rohmilch und Rohmilchprodukte sind verboten, Rohmilchkäse darf jedoch für den privaten Verzehr aus dem Ausland eingeführt werden. Von den etwa 1200 isländischen Ziegen werden einige wenige privat gemolken, und der Hof Háafell im Borgarfjörður liefert Ziegenmilch an eine lokale kleine Käserei. Derzeit ist dies die einzige Ziegenkäseproduktion im ganzen Land.
Als der kanadische Käserei-Rebell David Asher im Oktober zu einem Käseseminar nach Island kam, konnte er kaum glauben, dass es trotz ca 450.000 Schafen im Land keinen einzigen Liter Schafsmilch für den Unterricht geben sollte. Beide Kurse in der Töpferwerkstatt Bragginn in Flúðir waren ausgebucht, seine Schüler waren bis auf zwei Ausnahmen Käselaien. Viele reisten aus dem Ausland an, um von ihm das Handwerk des Käsemachens zu lernen.
Asher hatte seine Black Sheep School of Cheesemaking gegründet, nachdem er mit den kanadischen Behörden über das Thema Rohmilchkäse aneinander geraten war. Der Bio-Ziegenhirte lehnt jede Form der Künstlichkeit beim Käsen ab, sei es Pasteurisierung, gefrorene Käsestarterkulturen, Chemikalien oder Plastikverpackungen zur Reifung. Er lehrt seine Schüler die Kunst des Fermentierens, wie sie ihre eigenen Starterkulturen herstellen und daraus Käse machen können – Traditionen wie sie in Frankreich und Italien immer noch gang und gäbe sind. Jeder kann in der Küche zuhause guten Käse, Butter oder andere Milchspeisen herstellen, so sein Credo. Er muss die Milch nur machen lassen. Und das war nicht zuviel versprochen.
Von Joghurt über isländischen Skyr, Schmierkäsesorten bis hin zu Camenbert, Chevre-Sorten und Bergkäse, der ein Jahr zur Reifung lagert, ist alles in der eigenen Küche möglich. Im Bragginn versammelten die Schüler sich um einen 10 Liter Milchtopf herum, tropften den Bruch im Küchensieb ab und lernten, wie sie Plastikcontainer als Reifekeller nutzen.
Asher ist viel in der Welt herumgekommen und befand die isländische Kuh- und Ziegenmilch, die beim Kurs zum Einsatz kamen, für qualitativ hervorragend und wohlschmeckend. Was sicher daran liegt, dass die meisten Milchkühe noch relativ ursprünglich gefüttert werden und man produktionsfördernden Zusatzfuttern eher kritisch gegenüber steht.
All jenen, die auf der Insel neue Wege gehen wollen, können sich zumindest von Ashers Publikation “The Art of Natural Cheesemaking” inspirieren lassen, und schauen, was in der eigenen Küche dann doch so alles geht. Und hoffen, dass Erna Elinbjörg und Bjarki im Bragginn noch weitere spannende Workshops abhalten werden.