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„Hross í oss“ – ein Schlüsselloch-gucken in Islands Vergangenheit

hross_i_oss_posterWie ein kleines Irrlicht ist der Trailer des isländischen Films „Hross í oss“ im vergangenen Jahr durch die Netzwelt gegeistert, hatte mit seinem bizarren Filmplakat Verwunderung geweckt. Was mochten sich die Isländer da schon wieder ausgedacht haben?

Eine Rezension von Dagmar Trodler.

Ganz einfach – nach Blödelfilmen, Krimis und Subkultur erzählen sie von dem, was sie immer schon begleitet hat: Pferde und die Natur. Nun ist „Hross í oss“ jedoch kein herkömmlicher Pferde-und-Naturfilm, sondern ein Schlüsselloch-gucken in Islands Vergangenheit.

In den Achtzigern verlief das Leben im Skagafjord ruhig, vorhersehbar und unaufgeregt. Man kommuniziert per Lichtsignale miteinander und nimmt per Fernglas am Leben teil. Der Blick durchs Fernglas enthüllt großartigen Alltagswitz, ohne bloßzustellen … Regisseur Benedikt Erlingsson ist hier ein Meisterwerk gelungen, zusammen mit seinen Darstellern und einer Gruppe von atemberaubenden Islandpferden. Es gab gefährliche Situationen während der Dreharbeiten, sagt Benedikt im Morgunblaðið. Und als Zuschauer kann man Intensität und das Überlebensgefühl bisweilen deutlich spüren. Es ist jedoch kein Pferd verletzt oder gequält worden, dank der hervorragenden Arbeit der acht Pferdetrainer unter Leitung von Benedikt Líndal. „Hross í oss“ ist ein Destillat Islands. Der Film erzählt von Merkwürdigkeiten in Leben und Liebschaften und wie dicht beides mit der Natur verbunden ist – sei es im Geschlechtsakt von Hengst und Stute oder von Mann und Frau. Überall dort, wo die Geschichte selbst ein wenig schwach wirkt, tragen Bilder von schier unglaublicher Stärke und Poesie das Auge des Betrachters. Und weil sie das mit solcher Gewaltigkeit tun, braucht der Film kaum gesprochene Worte. Man muss den mongolischen Matrosen nicht zu verstehen, der das Pferd auf der Hängebrücke liebkost, und die Grandezza der Schwedin Johanna mit ihren sechs wiedergefundenen Handpferden verdient nichts anderes als andächtige Stille.

Island ist wild und zärtlich.

„Hross í oss“ verwebt meisterhaft Parabeln miteinander – negative Leidenschaften wie Landfriedensbruch, Rachsucht oder Trunksucht werden bestraft, die positive Leidenschaft erfährt Belohnung. Der Film beschreibt mit den Erlebnissen zweier Ausländer zutiefst berührend zwei Akte von Initiation, wie sie kaum unterschiedlicher ausfallen könnten. Auf bizarre Weise zeigt er, wie Männer ihr Gesicht verlieren, im doppelten Sinne, und wie am Ende alles mit dem Wind verweht. Island hat kein wirkliches Gedächtnis, weil im Wind jeder nur vorwärts schaut, und weil man niemanden schlecht macht. Kein Wunder, dass der Priester bei jeder Beerdigung auch stets die gleichen Lobesworte wählt: „XX war skapmikill maður – XX war ein Mann voller Leidenschaften“.

Der Mensch ist wild und zärtlich.

Über allem und um alles herum sind die Pferde. Stark und voller Tempo, lebenspendend, überwältigend wild und doch zärtlich, und immer an der Seite des Menschen, bis zum letzten Atemzug. In den statisch wirkenden Naturaufnahmen sind Pferde die bewegten Elemente. Sie bewegen den Menschen. Sie bewegen die Seele. Gleichzeitig sind sie das ruhende Element, als wollten sie dem Menschen zu verstehen geben‚ „was machst du eigentlich für ein Theater?“ Sie repräsentieren Schönheit, Kraft und Ewigkeit in dieser liebevollen Geschichte, die Hässlichkeit und Schwäche nicht verurteilt.

Das Pferd ist wild und zärtlich.

„Hross í oss“ ist eine Ode an das Islandpferd. Sie feiert auf fesselnde Weise das Pferd als das einzig Wahrhaftige neben menschlichem Geplänkel und Lächerlichkeit, sie macht schnörkellos klar: ohne das Pferd seid ihr Menschen nichts in diesem Land.

„Hross í oss“ ist Poesie in laufenden Bildern.

Der Film wird derzeit in isländischen Kinos gezeigt und Ende des Monats auch bei den Filmfestspielen im spanischen San Sebastian. Tickets für Island und Informationen findet man hier und auf der Webseite Hrosss.is. Da im Film nur sehr wenig gesprochen wird, ist er auch für Zuschauer ohne Isländischkenntnisse gut verständlich.

Dagmar Trodler – [email protected]

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