Der isländische Tierschutzverband DÍS hat eine Erklärung veröffentlicht, in der ein sofortiger Stopp der kommerziellen Blutgewinnung aus tragenden Stuten gefordert wird, berichtet Heimildin. Vor etwa zwei Wochen war bekannt geworden, dass im vergangenen Jahr acht Stuten bei oder nach der kommerziellen Blutgewinnung verendet waren. Der Verband fordert, dass sämtliche Fälle, wo eine Stute im Zusammenhang mit der Blutgewinnung im vergangenen Sommer verendet ist, untersucht und rechtliche Konsequenzen gezogen werden.
Die isländische Veterinäraufsichtsbehörde MAST hatte dem Bericht zufolge schon im letzten Jahr Kenntnis von acht im Zusammenhang mit der Blutgewinnung verendeten Stuten erhalten, das waren soviele wie noch nie zuvor. Eine der Stuten verendete, weil offenbar die Kanüle nicht korrekt eingestochen wurde. Sie ist an Ort und Stelle ausgeblutet oder erstickt. Keiner der Fälle war untersucht worden, weil die Kadaver sofort vergraben worden waren.
Veterinäre ohne Erfahrung stechen daneben
Das blutaufkaufende Pharmaunternehmen Ísteka nahm Heimildin zufolge an, dass die Stuten verendet sind, weil die mit der Blutgewinnung betrauten Veterinäre über zuwenig Erfahrung verfügten. Viele isländische Tierärzte hatten ihren Blutjob an den Nagel gehängt, nachdem im Winter 2021 durch die Dokumentation des deutschen Tierschutzvereins AWF bekannt geworden war, mit welch brutalen Methoden in der Branche offenbar gearbeitet wird. Der Mangel an willigen Tierärzten wurde durch die Ísteka mit der Anwerbung von ausländischen Veterinären aufgefangen. Denen fehlt aber offenbar jede Erfahrung: die tragenden Stuten mit Saugfohlen bei Fuss werden etwa achtmal pro Sommer in die Fixierbox getrieben, wo sie an Rücken und Kopf festgebunden werden, dann wird ihnen nach lokaler Betäubung mit einer dicken Kanüle zwischen fünf und acht Litern Blut abgezapft.
Aus diesem Blut extrahiert die Ísteka das Hormon PMSG, welches im europäischen Ausland zur Zyklusregulierung in der Schweinezuchtindustrie verwendet wird. Einer der Hauptabnehmer des Hormonpräparates ist Deutschland.
Schwerwiegende Tierquälerei
Der DÍS schreibt in seiner Mitteilung weiter, dem Verband lägen zuverlässige Informationen dazu vor, dass “im vergangenen Jahr viel mehr Stuten im Zusammenhang mit der Blutgewinnung verendet sind”. Auf mindestens 10 Höfen seien eine oder mehrere Stuten im Zusammenhang mit der Blutgewinnung verendet, auf einem dieser 10 Höfe seien es gar vier Stuten gewesen.
Ferner habe der DÍS Hinweise erhalten, dass bei einer Stute im letzten Sommer versehentlich die Luftröhre durchstochen worden sei. Der unerfahrene Veterinär reagierte nicht mit einer sofortigen Euthanasie des Pferdes, wie es seine Pflicht gewesen wäre, stattdessen habe die Stute fast zehn Minuten am Boden gelegen, während sie langsam verblutete.
„Es handelt sich hier um schwerwiegende Tierquälerei,“ schreibt der Tierschutzverband.
„Auf Grundlage der derzeit verfügbaren Informationen fordert der isländische Tierschutzverband einen sofortigen Stopp der Blutgewinnung bei tragenden Stuten und dass alle Fälle, in denen eine Stute im Zusammenhang mit der Blutgewinnung im letzten Sommer verendet ist, untersucht und rechtliche Konsequenzen gezogen werden.“ schreibt der Verband in seiner offiziellen Mitteilung.
ESA sieht Verstoss gegen europäisches Gesetz
Während die diesjährige Blutsaison hinter verschlossenen Türen anläuft, hat die zuständige Ministerin für Landwirtschaft, Fischerei und Lebensmittel, Svandís Svavarsdóttir, in der Angelegenheit allerhand auf dem Tisch liegen: Die EFTA-Regulierungsbehörde ESA hatte nämlich Anfang Mai ein Mahnschreiben geschickt, wonach die kommerzielle Blutgewinnung unter die europäische Richtlinie zum Schutz von für wissenschaftliche Zwecke verwendete Tiere fällt. In Island gilt die kommerzielle Blutgewinnung jedoch als „landwirtschaftliche Tätigkeit”.
Im vergangenen Jahr hatten 17 isländische Verbände gegen die kommerzielle Blutgewinnung aus tragenden Stuten in Island bei der ESA Beschwerde eingelegt, und nicht nur mit der alten Regelung von 2017, der neuen von 2020, ob mit oder ohne Genehmigungspflicht und selbst unter Anwendung der strengeren Bestimmungen aus dem letzten Jahr scheint Island offenbar mit seinem Blutstutengeschäft gegen europäisches Recht zu verstossen.
Sollte die kommerzielle Blutgewinnung in Island beendet werden, besteht nach Ansicht des isländischen Verbandes für das Tierwohl diesbezüglich nicht mal die Gefahr einer Schadensersatzforderung durch den Blutaufkäufer, weil immer die Schuldregel gilt: um jemanden in die Verantwortung zu nehmen und Schadensersatz zu fordern, muss etwas Gesetzwidriges oder eine Tat aus Leichtsinn vorgefallen sein. Im Fall der Blutstuten wäre das jedoch schlicht die Anwendung geltender Gesetze, nämlich das Gesetz zum Schutz von für wissenschaftliche Zwecke verwendete Tiere. Und sollte Islands Blutstutensache vor dem EFTA-Gerichtshof landen, könnte sich, so der Verband, herausstellen, dass das Gewerbe bereits seit 2017 gesetzeswidrig ist.