Vom Ablegen und der Würde des Pferdes (2) Skip to content

Vom Ablegen und der Würde des Pferdes (2)

(Teil 2)

Wieviel ist zuviel?
Jedes Training basiert auf dem Setzen von Reizen und ihrem Weglassen, wenn das Pferd korrekt antwortet. In der freien Natur beobachtet man viel Druck unter den Pferden, Bisse, Schläge gehören dazu, doch haben Pferde dort immer die Möglichkeit zur Flucht. Der Mensch, so schreibt Helga Thoroddsen, habe das Pferd aus seinem natürlichen Umfeld geholt und ihm mit Stall und Zügel Begrenzungen gesetzt. Damit ist es von seiner Gnade abhängig – und von seinem Ermessen, wie weit eine Haltung oder ein Training gehen darf. Zuviel Reiz schaffe genauso Spannung undUnwohlsein wie zuwenig Reize. Ein ängstlicher, Zauderer könne genauso viel Schaden in der Pferdeseele anrichten wie ein harter, rücksichtsloser Trainer. In der freien Natur flieht das Pferd vor dem Raubtier. “Der Mensch ist ja wohl doch kein Raubtier?”

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Vertrauen und Freiheit. Foto: Thingeyrar.is

Nach Helga Thoroddsens Erfahrung motiviert man neugierige junge Pferde am besten durch spielerisches Lernen. Vom Ausbilder verlangt sie die Fähigkeit, das Pferd lesen zu können, damit er vom Pferd nur Aufgaben verlangt, die dieses auch bewältigen kann.
Das Pferd muss seine Würde behalten
Sie kritisiert die Reizüberflutung des Jungpferdes beim Kurs. Reize setzen sei ja schön und gut, aber wenn ein Pferd nach einer Weile still steht, sei das noch lange kein Garant dafür, daß es nicht bei der nächsten Gelegenheit, wenn ihm ein ähnlicher Reiz begegne, sein Heil in der Flucht suche.
Ein kluger Weg sei vielmehr, daß das Pferd dem Menschen vertraue, der es in die furchterregende Situation führe. Statt das Pferd in kurzer Zeit mit vielen Reizen zu stressen, sei es doch viel freundlicher, die Vielzahl an Gelegenheiten im Trainingsalltag zu nutzen, um mit ihm zusammen die Welt zu erkunden.

Sie beschreibt, wie die Methode des Ablegens sie traurig gemacht habe. Wie dem jungen verängstigten Pferd systematisch die Würde geraubt worden sei, wie es kein Entgegenkommen, keine Belohnung gegeben habe, einzig den Ausweg des Aufgebens. “Was ist so toll daran, ‘Überlegenheit’ auf solche Art zu erlangen”? fragt sie. Es sei nichts dagegen einzuwenden, Pferde abzulegen, sie praktiziere das selbst, doch ausschließlich dann, wenn das Pferd es von selber anbietet. Davon sei beim Kurs nichts zu spüren gewesen.

Die in den Medien erwähnte Störung durch die Zuschauer, die für die Länge des Ablegeversuchs verantwortlich gemacht wurde, ändere nichts an der Tatsache, daß auch eine kürzere Zeit die Methode nicht rechtfertige. “Als es so schlecht ging, hätte Iben aufhören und erklären müssen, daß Dinge manchmal nicht klappen,” kritisiert Helga. Es dränge sich der Gedanke auf, daß dies so auch mit weniger Zuschauern passieren könne, oder mit einem starken Mann, oder einem Anfänger.

Man könne sich auch gut vorstellen, was eine solche Belastung für die Blutzirkulation, die Muskeln und die Sehnen des Pferdes bedeute. Mal abgesehen von der Gefahr in der Mensch und Pferd schweben, wenn das Fluchttier Pferd den Menschen überrennt beim Versuch, als dem Roundpen zu entkommen. Jeder der ein Knotenhalfter benutze, wisse um den Druck, den dieses Halfter auf Kopf, Nase und Genick ausübe – wie mag erst die Belastung für das über lange Zeit hochgezogene Vorderbein ausgesehen haben?
Beim Gedanken an all die Leute, die nun zuhause versuchten, ihre Pferde mit hochgebundenem Bein abzulegen, laufe ihr ein Schaudern über den Rücken.
Das Recht des einen ist Missbrauch des anderen?
Mancher würde nun sagen daß es im Umgang von Pferd und Mensch immer Höhen und Tiefen gebe und daß der Vorfall bei Iben sicher weniger schlimm sei als so manches, was in Trainingsstationen oder auf Turnieren vor sich gehe. Das sei nicht von der Hand zu weisen, doch dürfe wohl gefragt werden,”ob ein Missbrauch den anderen rechtfertigt?” Die meisten würde es dennoch schaffen, ihrem Pferd ein gutes Dasein zu ermöglichen.

Manche fänden es auch notwendig, frechen Pferden mal zu zeigen wo der Hammer hängt, die Methode sei geeignet, ihnen klarzumachen daß aufgeben besser ist. “Glauben die Leute denn wirklich, daß ein schwieriges Pferd, daß zum Gehorsam gezwungen wird, dem Trainer freundlich gesonnen ist? Und kann man den unglücklichen Pferden, die sich nicht als Reitpferd eignen, nicht ein menschenwürdiges Ende bereiten?”

Missverständnisse über die Zügelverbindung
Das Ablegen des Pferdes habe die meiste Kritik hervorgerufen, doch viel weniger sei über den Falben geschrieben worden, der gerade erst angearbeitet worden war und als schwierig bezeichnet wurde. Vieles sei versucht worden, nichts habe funktioniert. Der Falbe wurde als angekündigt als Beweis dafür daß die Methode einfach wirke. Helga beschreibt, wie das Pferd mit dem Zügel so kurz genommenn wurde, bis er “nachgab”. Natürlich habe er versucht, dem Druck zu entkommen. Habe gegen den Zügel gekämpft, sich eingerollt, die Zunge übers Gebiss gelegt. Sie verstehe nicht, wie man derart am Zügel einwirken, das Pferd derart unzufrieden machen könne und es rückwärts statt vorwärts denken lassen könne.

“Ist nicht der Vorwärtsgedanke und der Wille zur Zusammenarbeit das erste, was zu Beginn der Ausbildung aufgebaut werden muss?” fragt sie. “Und Ausbildungsschritt Nr. 2 ist ‘ruhig werden’?” Es gebe weitaus schönere Wege, einem Pferd den Zügelkontakt nahezubringen.

Helga wundert sich, was die Zuschauer aus dieser Demonstration mit nach Hause nehmen sollten.
Man könne sich leicht vorstellen, wieviele Leute daheim nun ihr Pferd an den Zügel stellen, bis es “nachgibt”, bevor man in den Sattel steigt.
Nichts ist nur schlecht
Das Gute im Schlechten sei, daß der Kurs eine Diskussion in Gang gesetzt habe. Jede Diskussion schärfe Linien und sei solange gut, wie sie sachlich verläuft, mahnt sie. Es gebe keinen Grund, persönlich zu werden, wo es um Methoden gehe. Die Pferdewelt brauche den fachlichen Diskurs und intelligente Kommunikation, damit zukunftsweisende Ziele geprägt werden können. Wenn jemand nach vorne trete und umstrittene Methoden lehrt, müsse er damit rechnen, daß das Diskussionen hervorruft. Das müssten die Leute einfach aushalten.
“Worauf es bei allem vor allem ankommt, ist das Pferd und sein Wohlergehen.”
Teil 1 finden Sie hier.

Den Text im Original können Sie hier nachlesen.

Hier finden Sie mehr zum umstrittenen Kurs.
DT

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