Ein Kommentar zum Landsmót.
Das Landsmót der Pferde ist nun einige Tage her, und Aufregung wie Begeisterung haben sich gelegt. Die nasse Regenkleidung ist getrocknet, Fotos sind gesichtet – Erlebnisse kritisch betrachtet. Das schlechte Wetter wird wohl am längsten in Erinnerung bleiben. Nicht nur der Nässe wegen, sondern auch, weil wir etwas über das Temperament der Islandpferde gelernt haben.
Gesehen haben, mit welcher Stoik diese unglaublich starken Pferde Sturm, Regen, und auch die gnadenlose Härte der Prüfungstage ertrugen. Wie sie auf der kreuzlangweiligen Bahn immer wieder Höchstleistungen vollbrachten, unter durchaus diskussionswürdigen Umständen.
Der ehemalige Trainer der isländischen Reiternationalmannschaft, Einar Öder Magnússon, äußerte in einem Interview mit der Zeitschrift Eiðfaxi breite Kritik am Richtsystem des Landsmót, an der Überforderung junger Pferde und an der so populären Ausstrahlung. „Man sieht Pferde in abartiger Haltung, extrem aufgerichtet und mit kurzen Schritten der Hinterhand. Das ist jene negative Energie, aber sie bringt eben auch mehr Vorhandaktion, weswegen Reiter danach streben, genau dieses Bild zu erzeugen.“
Jens Einarsson vom Hestablaðið Seisei kritisierte die fatale Einbahnstraße von extremer Form, extremen Gängen und extremen Noten durch die in der Zuchtschau erlaubte härteste Ausrüstung.
Die Show streut uns Zuschauern Zucker in die Augen, wir lassen uns gerne berauschen von fliegenden Beinen, von großartigen Bewegungen, von Tempo und Eleganz – ganz im Sinne des Gæðingakeppni, wo die Schönheit des Pferdes im Vordergrund steht, und weniger die Art und Weise, wie der Reiter sie erzeugt. Und großzügig übersehen wir die kleinen Schäbigkeiten, die Punkte bringen.
Daheim dann sucht man nach Bildern von Harmonie und Kommunikation – das, was die Noten für Reiteigenschaften und Form unter dem Reiter implizieren. Es gab durchaus klassisch sitzende Gentlemanreiter wie Bergur Jónsson, Jakob Svavar Sigurðsson oder Olil Amble, und es gab Pferde wie den souveränen Trymbil frá Stóra-Ási, oder den mit seiner sprudelnden Quirligkeit dem „Spaßpferd“ noch am nächsten kommende Gangster frá Árgerði, Landsmótssieger Spuni frá Vesturkoti, der nach atemberaubender Show mit dem besten Schritt aller Zeiten relaxt auf die Passbahn wanderte. Es gab viele unglaublich talentierte, blutjunge Stuten und Hengste, die den Wind in sich zu tragen schienen, und talentierte junge Reiter, die den Wind zu reiten wussten.
Doch sind da auch Bilder im Kopf von krampfigem Gezwiebel um Versammlung, von Pferderennen in viel zu hohem Tempo, von erschöpften Augen und blauen Zungen. Von gefeierten Stars, die, dem Wahnsinn nahe scheinend, um die Ovalbahn strampeln und kaum mehr nach Pferd aussehen.
Am Ende schaut man sich die übriggebliebenen „schönen“ Bilder an und muss sich fragen, was sie eigentlich wert sind, wenn auch hier der Sattel inakzeptabel weit auf der Lende liegt, die Hinterhand blockiert und dem Pferd Unbehagen, wenn nicht sogar Schmerzen verursacht, weil der belastete Bereich (die Querfortsätze der Wirbelsäule) anatomisch nicht in der Lage ist, das Reitergewicht biomechanisch korrekt zu tragen. Oder wie es mit dem Rücken eines atemberaubenden Talents wie Konsert frá Hófi (4 Jahre) weitergeht, wenn er dreijährig und keineswegs ausgewachsen auf diese Weise angeritten wurde.
Mit welcher Stoik ertragen Islandpferde einen falsch plazierten Sattel?
Klar „können die das ab“ – die konnten 1000 Jahre Unwetter ab, was macht da schon ein Reiter im Kreuz? Aber selbst wenn sie es „abkönnen“ – welche Aussagekraft haben die hohen Noten dieser Pferde für den interessierten Kunden, der versucht, korrekt zu satteln und sich wundert, daß ihm Mordsbewegung und Takt versagt bleiben? Was bleibt eigentlich übrig, zieht man all den fake ab – die langen Hufe, das Druckreiten und den Sattel auf der Lende?
Und gleich weitergefragt: wenn ein junges Zuchtpferd mit den Worten beworben wird, hier komme „ein Pferd, das jeder reiten kann“, möchte man doch gerne wissen, was denn mit den anderen ist. Sind die Erzeugnisse der beim Landsmót präsentierten Islandpferdezucht nicht mehr von jedem reitbar? Die Gestütsschau ließ den Verdacht entstehen, daß dem bisweilen so sein könnte. Auf denkwürdige Weise trat zutage, daß Züchter Schwierigkeiten hatten, ihre eigenen, bewegungsstarken Pferde in Tölt und Trab zu sitzen.
Einar Öder Magnússon sprach sich im Eiðfaxi-Interview dafür aus, daß Zuchtpferde beim Landsmót von ihren Besitzern vorgestellt werden. Erst dann bekomme die Note für Reiteigenschaften doch einen Sinn.
Wenn sechs bekannte Zuchtreiter fast einhundert Zuchtpferde vorstellen, ähnelt die Reiteigenschaftsnote mehr einer Art Zuchtreiter-Beurteilung. Wer von uns potentiellen Interessenten weiß sich im Sattel auszudrücken wie diese Herren?
Zucht impliziert immer eine Verbesserung genetischen Materials, und genau das gelingt in Island auf geradezu beeindruckende Weise. Doch sollte bei allem Höhenrausch nicht außer Acht gelassen werden, für wen eigentlich gezüchtet wird. Der Großteil der Pferdekäufer wünscht sich ein unkompliziertes, gangreines Pferd, in das er nicht noch den Gegenwert eines zweiten Pferdes in Beritt und Ausbildung investieren muss, weil sein Ross „Probleme mit den Gängen hat“ oder im Vorwärtsdrang nicht anhalten kann.
Eine manipulierte Sattellage in der Show kann das Bild, den Gang, und den Werdegang eines Zuchtpferdes fatal verschieben. Unehrlichkeit aber haben unsere wunderbaren Islandpferde einfach nicht verdient.
Dagmar Trodler