An die vierhundert Teilnehmer sind gestern Abend im nordisländischen Blönduós zu einer Diskussionsrunde zur Lage der Schafbauern in Island zusammengekommen. Die Stimmung war düster, unter anderem, weil der Staat nicht zureichend auf die Probleme des landwirtschaftlichen Zweiges reagiere, schreibt Vísir.
Sigríður Ólafsdóttir, eine Schafzüchterin und Betriebsberaterin beim Landwirtschaftlichen Beratungsdienst RML, hörte auch heftige Kritik über die Vermarktung der Erzeugnisse. Die Teilnehmer spürten die Resignation von Bauernvertretern wie Sprechern der vermarktenden Schlachthäuser, berichtet RÚV.
Sigríður sagt, sie möchte eine bessere Warenentwicklung in der Herstellung sehen. Zudem ziehe die schlechte Lage der Bauern andere negative Entwicklungen nach sich, wenn nichts unternommen werde. “In meinem Heimatbezirk, dem Húnaþing vestra, besteht ein Grossteil der Werktätigkeit in Hvammstangi darin, Dienstleistungen für die Bauern zu erbringen. Wenn die Bauern verschwinden, dann verschwinden diese Arbeitsplätze auch. Es geht nicht nur um Lohnabstriche bei den Bauern, sondern in der ganzen Gesellschaft.”
Schafzuchtbetriebe machen Verluste, und zwar ganz gleich, wie gross die Betriebe sind. Sigríður rechnete der Versammlung vor, wie sich die Verluste bei Betrieben mit 100 Schafen, 500 und 1000 Schafen verhalten. Der Verlust bei einer kleinen Zucht ist nur gering, ein Betrieb mit 500 Schafen verliert jedoch eine Million Kronen pro Jahr, ein Betrieb mit 1000 Schafen gar drei Millionen. Am schlimmsten sei die Lage bei Jungbauern, die sich für den Betrieb verschuldet hätten.
Ihrer Einschätzung nach müsse der Kilowert für Schaffleisch auf dem gleichen Stand wie im Jahr 2015 gehalten werden, und selbst da gab es nicht viel Geld für den Bauern.
Sigurður Ingi Jóhannson, der Vorsitzende der Fortschrittspartei und frührerer Landwirtschaftsminister, befürchtet, dass die Schafbauern Einkommensverluste von bis zu 56 Prozent hinnehmen müssten, wenn nichts passiere.
In einem Beitrag auf Facebook schrieb Sigurður, die Regierung müsse mit ihrer Tatenlosigkeit und den Sandkastenspielen aufhören. Sie müsse bezüglich der Exportpolitik auf andere Länder schauen, oder auf andere Art und Weise eingreifen. Wenn nichts passsiere, verliere ein Grossteil der Menschen in den Gemeinden ihre Arbeit, Jungbauern mit Kindern verlören Zuhause und Arbeit.
Die grossen Schlachthäuser hatten in der vergangenen Woche ihre Tarife für die diesjährigen Herbstschlachtungen bekanntgegeben. Demnach erhalten Bauern für ihre gelieferten Lämmer erneut weniger Geld, sodass sie mit jedem geschlachteten Lamm Verlust machen. Die Zahlungen pro Lamm fallen bis zu 35 Prozent niedriger aus. Schon im vergangenen Jahr hatten die Schlachthäuser die Tarife um bis zu 35 Prozent gesenkt.
In Nordisland stiess den Bauern besonders der extreme Kostenanstieg für die Rücknahme eines geschlachteten Tieres auf, welcher eine Vermarktung ab Hof erschwert und auch den Privatkonsum verteuert.
Derweil machten sich erzürnte Landwirte auf den Weg in die grossen Supermärkte und berichteten in den sozialen Medien von ihren Funden in der Kühltheke, wo sie importiertes Fleisch aus der EU entdeckten, jedoch kaum isländisches Lammfleisch. Viele kritisierten auch die unappetitliche Verpackung und ungeschickte Präsentation der traditionellen isländischen Fleischware, die für Kleinverbraucher zudem oft überdimensioniert ist.
Der Vorsitzende des isländischen Schlachthausverbandes, Ágúst Andreson, bezifferte auf dem Treffen in Blönduós die Überproduktion auf fast 2000 Tonnen Schaffleisch, vor allem weil der Export in ausländische Märkte zusammengebrochen sei.
Vor zwei Wochen hatte die Vorsitzende der Schafzüchter, Oddný Steina Valsdóttir, einen offenen Brief an die Mitglieder des Parlaments geschrieben und auf die drohende Notlage der Schafbauern hingewiesen. Mitte August hatte sich der Vorstand des Zuchtverbandes mit dem Beschäftigungsausschuss des Alþingi getroffen. Einige Tage später legte die Ministerin für Fischerei und Landwirtschaft, Þorgerður Katrín Gunnarsdóttir, ihre Lösungsideen vor, nach denen der Schafbestand in Island um 20 Prozent verringert werden solle, um der Überproduktion entgegenzuwirken. Auch der zu Jahresbeginn eingeführte Landwirtschaftsvertrag müsse erneut geprüft werden, da er eine Produktionssteigerung begünstige.