Im Island-Pavillon stellte sich gestern Vormittag die Literaturstadt Reykjavík, vertreten durch ihren Bürgermeister Jón Gnarr, den Vorsitzenden des städtischen Kulturrates Einar Örn Benediktsson und den Autor Pétur Gunnarsson, der Presse vor.
Peter Ripken und Jón Gnarr beim Unterzeichnen des ICORN-Vertrages; rechts: Einar Örn Benediktsson. Foto: bv.
Im August dieses Jahres hatte die UNESCO Reykjavík zur Literaturstadt ernannt. Die isländische Hauptstadt ist damit nach Edinburgh, Iowa City, Melbourne und Dublin die erste Stadt ausserhalb des englischen Sprachraums, die die Auszeichnung UNESCO-Literaturstadt erhalten hat.
Die Entscheidung fiel im Hinblick auf das „unschätzbare Erbe an mittelalterlicher Literatur, den Sagas, der Edda und dem Íslendingabók“, aber auch wegen der zentralen Rolle, „die die Literatur in der modernen urbanen Landschaft, der gegenwärtigen Gesellschaft und dem täglichen Leben der Bürger spielt“.
Jón Gnarr betonte, Kultur sei kein Zierwerk, sondern notwendiger und wichtiger Bestandteil des Lebens, „ein Spiegel unserer Seelen“, der zeige „wer wir sind, wo wir herkommen und vor allen wo wir hingehen“.
Künstler seien die wahren Botschafter Islands. Thórbergur Thórdarson, dessen 1938 geschriebener Roman „Islands Adel“ nun auch auf Deutsch erschienen ist, sei in seiner Jugend sein persönliches Vorbild gewesen – allein wegen der ebenfalls roten Haare habe er sich als Reinkarnation des Genies gefühlt. Solch ein Verhalten eines Teenager käme uns vielleicht schräg vor, in Reykjavík aber sei das etwas Normales.
Jón Gnarr erwähnte die vielfältigen Aktivitäten Reykjavíks auf dem Gebiet der Literatur – vorige Woche hatte gerade das siebte International Poetry Festival in Reykjavík stattgefunden – und stellte dann die Organisation ICORN (International Cities of Refuge Network) vor, ein Internationales Netzwerk von Städten, die verfolgten Schriftstellern Zuflucht und Unterstützung gewähren.
Der Vorstandsvorsitzende von ICORN, Peter Ripken, betonte, in vielen Ländern seien Schreibende – Journalisten, Übersetzer, Schriftsteller, Dichter und Herausgeber – immer wieder Ziel von Drohungen und Verfolgung. Hunderte, wenn nicht tausende sind inhaftiert, weil sie auf ihr Recht der freien Meinungsäusserung gepocht haben.
Zu ihrem Schutz haben sich bisher etwa 40 grosse und kleine Städte, darunter Paris, Barcelona, Stockholm und Frankfurt dem Netzwerk ICORN angeschlossen.
Jón Gnarr und Peter Ripken unterzeichneten unter grossem Applaus der anwesenden Pressevertreter den Vertrag, mit dem die Stadt Reykjavík ICORN beitritt.
Pétur Gunnarsson, Autor des literarischen Stadtführers „Mein Reykjavík“ und des nun ebenfalls auf Deutsch erschienenen Romans „Punkt, Punkt, Komma, Strich“ stellte anschliessend die Entwicklung Reykjavíks vom Fischerdorf zur Kulturmetropole dar.
Jón Gnarr rezitierte das Gedicht „Jesus Christus und ich“ des Dichters Vilhjálmur frá Skálholti auf Deutsch und auch Einar Örn Benediktsson gab abschliessend Kostproben isländischer Lyrik in deutscher Übersetzung.
Bernhild Vögel