Die Medienwelle, die Iben Andersens Ausbildungsmethode des Pferd-ablegens unter Zwang ausgelöst hat, ist ein wenig zur Ruhe gekommen. Konstruktive Fachbeiträge fokussieren nun verstärkt das Thema pferdegerechte Ausbildung.
In der aktuellen Ausgabe des Pferdemagazins Hestablaðið Seisei ist dazu ein Interview mit Erlingur O. Sigurðsson zu lesen.
Erlingur ist um die 70 und hat sein ganzes Leben mit der Ausbildung von Pferden verbracht. Im Interview beschreibt er, was er von seinem Vater gelernt hat. Die alten Ausbildungsmethoden würden der Moderne durchaus standhalten, findet er.
Sein Vater habe stets Wert auf ein gut gefüttertes und starkes Pferd gelegt und sich über Fütterung viele Gedanken gemacht. “Gut ausgebildet und stark, mit gutem Muskelfleisch, zylindrisch und mit straffen Seiten. Und mit einem lebendigen Auge.” beschreibt Erlingur des Vaters Ideal von einem Reitpferd.
Regel Nummer eins im Training sei stets gewesen: “Du reitest keinen Vierjährigen.”
Er habe vielmehr gelernt, die jungen Pferde halfterführig zu machen, ans Gebiß zu gewöhnen und von beiden Seiten am Boden zu arbeiten. Dann habe man mal einen Sattel aufgelegt und war vielleicht auch aufgesessen. Die Pferde waren anschließend in die Weide entlassen worden. “Die wurden nicht geritten,” betont er.
Im fünften Winter sei mit der Reitausbildung begonnen worden, aber nur ein bisschen, erzählt Erlingur weiter. “Sie wurden aber immer als Handpferd mitgenommen und haben so gelernt, sich auf beiden Händen zu biegen und sich an alles zu gewöhnen, was ihnen unterwegs begegnete. Auf diese Weise wurde langsam und in aller Ruhe gegenseitiges Vertrauen aufgebaut.”
Die ersten Male geritten wurde das junge Pferd von unterwegs aus, das letzte Stück nach Hause. Und es habe nie eine Rolle gespielt, ob man es nach drei Tagen oder drei Monaten reiten konnte.
“Es dauert einfach zwei Jahre, ein junges Pferd aufzubauen.” sagt Erlingur kurz und knapp. Er wolle nicht auf die Ausnahme bei den Zuchtpferden eingehen, da sei ein Kapitel für sich. Das normale Pferd sei für den alltäglichen Gebrauch nicht vor seinem siebten Lebenswinter bereit, wenn es mit vier oder fünf Jahren behutsam ausgebildet worden sei.
Er findet es traurig, wie wenig Reiter heutzutage mit Handpferden zur Ausbildung unterwegs seien.
“Mein Vater hat immer gesagt: ein gut ausgebildetes Handpferd ist mehr als halbausgebildet.” Zudem fänden die Pferde das viel angenehmer, zu mehreren unterwegs zu sein.
Erlingur erinnert sich an eine unschöne Geschichte mit einer jungen Stute, die er für einen Kurs nach Monty Roberts verliehen hatte, mit der Auflage, sie nicht zu reiten, weil sie noch zu klein sei. Das Pferd sei auf Betreiben des Ausbilders dennoch geritten worden und habe einen Muskelschaden davongetragen, von dem es sich nie ganz erholt habe.
Vierjährige Pferde seien einfach nicht elastisch genug, um einen Reiter von 100 Kilo zu tragen und dies möglicherweise auch noch in einem unpassenden Sattel. (Quelle: Hestablaðið seisei, 2. Ausgabe Nov. 2013)
Vieles an Erlingurs Worten erinnert an die Grundsätze der deutschen Heeresdienstverordnung Hdv.12, nach der ein junges Pferd zwei Jahre lang in Ausbildung war und während dieser Zeit „Remonte“ genannt wurde. Die Frage muss gestattet sein, wohin diese zwei Jahre verschwunden sind, und auf welcher Grundlage Reiter glauben, sie durch eine kürzere Ausbildungszeit ersetzen zu können.
Einen weiteren Fachbeitrag von Pétur Behrens zum Thema können Sie hier lesen.