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Die unehrliche Prüfung

In der letzten Prüfung der Meistaradeild-Serie ging es um eine Anforderung, die in den achziger Jahren von einem deutschen Passreiterverein erfunden wurde: den Tölt am losen Zügel, oder wie er hier in Island auch genannt wurde: “Wäscheleinentölt”, dank des schlabbernden Zügels. In Deutschland heißt die Prüfung abschätzig Hausfrauentölt.

Drei Runden in der Ovalbahn – Arbeitstempo, langsames Tempo, dann abwenden und für die dritte Runde den Kontakt zum Pferdemaul aufgeben, so lauten die Regeln. Berühmt ist die Prüfung vor allem durch das Gerede darum.

In der vorletzten Ausgabe der Eidfaxi gab es im Rahmen einer Studienarbeit zum Slaktaumatölt Interviews mit namhaften Profis zu lesen. Von allen wurde das Vertrauen betont, welches das Pferd in seinen Reiter haben müsse, und daß man es ohne Zügel versammeln können müsse. Ein Profi sah die Prüfung gar als Lektion, “das Pferd in Frieden zu lassen”.

Hehre Worte, die an diesem Abend ad absurdum geführt wurden.

Vielmehr wurden Töltrunden präsentiert, in denen zum Teil heftig am Pferd gearbeitet wurde, um Vorhandaktion und Aufrichtung zu erzeugen. Im zweiten Aufgabenteil wurden die gestressten Pferde per Zügeleinwirkung verlangsamt und weiterhin mit Vorhandfokus geritten. Das Abwenden wird zum Glück nicht bewertet.

Für die dritte Runde fielen die Zügel. So manches Pferd benötigte ein Erinnerungs-”Nachziehen”, um die Runde in der “freien Selbsthaltung” zu absolvieren. Blickt man auf das Gesamtbild, handelt es sich um nicht viel mehr als ein Bewegungsmuster, welches in den beiden Runden zuvor abgespeichert und nun abgerufen wurde. Im Grunde genommen eine learned helplessness im Miniaturformat.

Bei den meisten hilft die Gerte, vorn neben dem Pferdekopf gehalten ist sie als Drohung zu verstehen, den Kopf oben zu lassen. Olil Amble war die einzige Reiterin, die ihre Gerte für den dritten Aufgabenteil zwischen Knie und Sattel klemmte und nicht mehr benutzte.

Die Paraden, die Taktfehler und Aufrichtung korrigieren sollten, kommen als Insterburger aus dem völligen Nichts. Wenn jeglicher Kontakt zum Pferdemaul aufgegeben wurde, ist eine Parade so ziemlich das Brutalste, was einem Pferdemaul zustoßen kann, weil sie weder vorbereitet, noch im Zusammenspiel mit anderen Hilfen benutzt wird. Im Schmerzsignal liegt keine Möglichkeit zur Kommunikation.

Sollte das Pferd bis zu diesem Zeitpunkt Vertrauen in die Reiterhand gehabt haben, ist dieses Vertrauen spätestens jetzt zerstört.

Das Missverständnis darüber, wie der lose Zügel auszusehen hat, damit die Richter auch sehen, daß er wirklich lose ist, führt zu weiterer Manipulation: ‘Zügelkontakt aufgeben’ heißt in manchen Fällen, daß der Zügel von zwei Seiten gegen die Pferdebrust klatscht und mit den Snaps in den Kandarenschenkeln scheppert – eine eher unsanfte Aufrichtungserinnerung.

Sylvia Sigurbjörnsdóttir, die mit einem nervösen Pferd heute keine überzeugende Vorstellung geben konnte, war die einzige, die die Zügel im klassischen Sinn “überstrich” – also den Kontakt zum Pferdemaul aufgab, jedoch ohne das Pferd mit dem Zügel anderweitig zu drangsalieren. Ihr Zügel hing leicht durch und bewegte sich kaum unterhalb der Kandarenschenkel.

Nur zwei Pferde überzeugten an diesem Abend. Gulltoppur frá Þjóðolfshaga lief ohne Zügel wie mit Zügel. Es gab tatsächlich kaum einen Unterschied in Form und Tempo, er töltete fröhlich seine Runden, fließend und ungestört vom Reiter, allein es fehlte die Spektakularität und er landete unter ferner liefen.

Bergur Jónsson schließlich stellte ein weiteres Mal das jünste Pferd des Abends vor und beeindruckte durch einen ruhigen und rundum harmonischen Ritt. Der erst siebenjährige Frami frá Ketilsstöðum war die ganze Zeit am Zügel – ein Ausnahmebild – und innerlich wie äußerlich im Gleichgewicht. Er benötigte kein “einnorden” vor dem Zügelverlust, Bergur veränderte nichts an Sitz und Einwirkung, er ritt einfach weiter und war seinem Pferd ein guter, vertrauenswürdiger Führer.

Die interessanteste Momentaufnahme geschah dann im A-Finale, als das junge Pferd mit vier weiteren Konkurrenten in der Bahn laufen musste – eine schwere Anforderung an das Konzentrationsvermögen. Wieder sah man keine groben Einwirkungen durch seinem Reiter. Doch nach der Runde im langsamen Tölt, die Frami mit nennenswerter Versammlung absolvierte, gab es ein paar Piaffentritte, gesetzt und ruhig auf der Stelle, dann wurde der Zügelkontakt aufgegeben. Das Pferd war versammelt und hatte ganz offensichtlich anderweitig Verbindung mit seinem Reiter aufgenommen. Frami war die Ausnahmeerscheinung des Abends und mag als Beispiel für echte Harmonie zwischen Pferd und Reiter dienen.

Dennoch ist der Tölt am losen Zügel eine unehrliche Prüfung: weil sie Vertrauen verlangt, aber Furcht sät – und notenwirksamen Spirit erntet. Eine Prüfung aus grauer Vorzeit, die abgeschafft gehört, will man feines Reiten im Islandpferdesport wirklich ernstnehmen.

Hier sind die Gesamtergebnisse nachzulesen.

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