Passanten staunten am gestrigen Abend nicht schlecht, als Polizei den Laugarvegur in Reykjavík im unteren Abschnitt absperrte. Der Feierabendverkehr wurde umgeleitet, kurz darauf rauschte ein dicker LKW des staatlichen TV-Senders RÚV an den Ort und packte Kameras und allerlei Technik hinaus in den kalten Winterabend.
Wer den Laugavegur von oben herunterbummelte, hörte lautes Demonstrationsgeschrei, Trommeln und Pfeifen – Fussball? Demo? Konzert-Aufwärme? Eine Gruppe blaugekleideter Jungmenschen kam mit Transparenten und Flaggen bewaffnet skandierend den Laugavegur hoch, vor ihnen marschierte Premierminister Sigmundur Davið Gunnlaugsson in Abendkleidung und tönte “Wir bleiben hier die ganze Nacht!” ….
“Ok, cut – einu sinni enn!”
Es war natürlich nicht der Premierminister, der einer zierlichen Regisseurin gehorchte und mit den anderen den Laugavegur wieder hinuntertrabte, sondern einer der Schauspieler des alljährlichen Silvesterkabaretts “Áramótaskaup”, welches regelmässig gegen 23 Uhr in der Silvesternacht die Strassen in Reykjavík leerfegt, weil niemand die Persiflage auf das vergangene Jahr verpassen will, und aufgezeichnet wurde gerade einer der Clips für die Show.
Touristen staunten und knipsten, Einheimische grinsten in heimlicher Vorfreude.
Áramótaskaup wurde 1948 als Rundfunksendung gestartet und lief dort bis zum Jahr 1965, ab 1966 wurde die Sendung im neu installierten staatlichen Fernsehen ausgestrahlt. Bekanntestes Gesicht der Comedysendung war der ehemalige Bürgermeister der Stadt Reykjavík, Jón Gnarr. Im Jahr 2002 erreichte die Sendung eine Einschaltquote von 95,5 Prozent, RÚV’s Intendant bezeichnete das als Weltrekord in der westlichen Welt.
Die Silvestercomedy endet kurz vor Mitternacht, erst dann macht man sich auf nach draussen, um mit ordentlich Feuerwerk das neue Jahr zu begrüssen. Nach dem kurzen Vorgeschmack gestern abend sind wir nun gespannt, was am 31.12 im Áramótaskaup auf uns wartet.