Etwa 40 abgelehnte Asylbewerber, die aus der staatlichen Unterkunft vertrieben worden sind, leben jetzt auf der Strasse, berichtet RÚV. Einige schlafen seit fast drei Wochen schutzlos in den Strassen der isländischen Hauptstadt und suchen in Mülltonnen nach Essen. Unter den Personen befinden sich auch weibliche Opfer von Menschenhandel. Das isländische Parlament hatte in diesem Frühjahr unter Federführung des damaligen Innenministers Jón Gunnarsson ein Gesetz verabschiedet, welches Asylbewerbern 30 Tage nach Ablehnung ihres Antrags das Recht auf alle soziale Grundleistungen entzieht.
Umstrittenes Ausländergesetz im vierten Anlauf
„Die Leute leben in Erdlöchern, zum Beispiel. In den Wäldern, in Parks. Einfach da, wo sie nachts Schutz finden. Manche schlafen in kleinen Zelten. Andere haben nichts, um sich zuzudecken, ausser vielleicht eine Mülltüte oder was sie halt auf der Strasse finden,“ berichtet die Begründerin der Hilfsorganisation Solaris, Sema Erla Serdar, die zusammen mit Freiwilligen die Strassen durchkämmt, um den Asylbewerbern zu helfen, die jetzt unter freiem Himmel leben. Mehr als 10 Personen sind gefunden worden, berichtet RÚV.
Im März diesen Jahres hatte das isländische Parlament ein umstrittenes Ausländergesetz erlassen, welches Asylbewerbern 30 Tage nach Ablehnung ihres Antrags jedes Recht auf Unterkunft, soziale Unterstützung und medizinische Versorgung entzieht.
Das Gesetz war zuerst im Jahr 2018 vorgelegt worden und von Menschenrechtsorganisationen wie dem Roten Kreuz, Amnesty und der UNICEF scharf kritisiert worden. Beim vierten Versuch in diesem Frühjahr war es schliesslich von einer parlamentarischen Mehrheit angenommen worden.
Die Menschen, die von diesem neuen Gesetz betroffen sind, verlieren nicht nur alle Rechte auf eine Grundversorgung, sie haben auch keine Arbeitserlaubnis, und können nicht für sich selber sorgen. Sie werden nicht mit Gewalt deportiert, aber man überlässt sie sich selbst in einem rechtlichen Niemandsland, ohne Sozialversicherungsnummer (kenntitala) und ohne das Recht, einer Arbeit nachzugehen. Einige der Personen mussten ihre Papiere abgeben und können nun nicht einmal in ein anderes Land reisen, weil sie sich dort nicht ausweisen können.
53 Betroffene, bald schon viel mehr?
Seit Inkrafttreten des neuen Gesetzes Anfang Juli sind 53 Asylbewerber auf die Strasse gesetzt worden. Heute wurde bekannt, dass die Obdachlosenheime der Hauptstadt Anweisung erhielten, diese Menschen abzuweisen, weil die Kommunen nicht für sie aufkommen wollen.
Genau das hatte Sozialminister Guðmundur Ingi Guðbrandsson angenommen, als das Gesetz noch im Entwurf vorlag: dass die Kommunen in Vorlage treten würden und sich um die Leute kümmern. Doch die geben nun den Ball an den Staat zurück, er habe für diese Menschen zu sorgen, weil die Kommunen weder Mittel noch die Berechtigung hätten, aktiv zu werden. Die neue Innenministerin Guðrún Hafsteinsdóttir hat derweil einen neuen Verantwortlichen ausgemacht: die Asylsuchenden selbst trügen die Verantwortung für sich selbst.
Morgen soll die Angelegenheit zwischen Ministerien und Kommunen besprochen werden. Der Reykjavíker Stadtratsvorsitzende Einar Þorsteinsson spricht von 40 Menschen auf der Strasse und befürchtet, dass sich die Zahl bis zur Jahreswende vervielfachen werde. Er halte es für sinnvoll, einen Schritt zurückzugehen und die Durchsetzung des Gesetzes zu prüfen.