In der isländischen Nationalbibliothek sind vier bislang unbekannte Manuskripte mit einer rätselhaften Vorgeschichte aufgetaucht, berichtet RÚV.
Der amerikanische Archivar und Gelehrte Willard Fiske (1831-194) war bekannt für seine Kenntnis nordischer Sprachen und Literatur. Bei seinem Tod im Jahr 1904 hinterliess er der Cornell University um die 32.000 Bücher. Die Fiske Icelandic Collection at Cornell gehört international zu den grössten Sammlungen isländischer Manuskripte und Schriften. Fiske war aber auch ein früher Gönner der isländischen Nationalbibliothek, und schenkte ihr um die 1500 Bücher, dazu weitere 2500 als Vermächtnis nach seinem Tod.
Die vier kürzlich entdeckten Manuskripte waren Teil dieser Schenkung und hatten über 100 Jahre unentdeckt im Archiv geschlummert.
Kein Zusammenhang mit isländischer Literaturgeschichte
Eines der vier Manuskripte, Lbs 5338 8vo, enthält ein türkisch-persisches Wörterbuch aus ottomanischer Zeit, im 16. Jh von dem Gelehrten Ibrahim Sahidi zusammengestellt. Der Text, der als poetisches Wörterbuch und als Lesebuch diente, war Gelehrten durch anderen Kopien wohlbekannt. Die 28 Oktavblätter sollen im 17. Jh beschrieben worden sein. Der Text enthält auch seitlich notierte Kommentare. Ausserdem wurden ein weiteres ottomanisches Manuskript sowie ein armenisches Gebetbuch entdeckt.
Alle drei Manuskripte sind auf Papier geschrieben, das vierte, ein Stundenbuch, ist auf Pergament niedergeschrieben worden. Stundenbücher sind christliche Gebetbücher aus dem Mittelalter, die oft reich illustriert waren. Das aufgetauchte Stundenbuch, Lbs 5336 8vo (oben abgebildet) ist so ein reich verziertes Prachtwerk. Woher es stammt, bevor es zu Fiske kam, ist nicht bekannt. Und da keins der Manuskripte in Verbindung zur isländischen Literaturgeschichte steht, bleibt es ein Rätsel, warum diese Werke der Bibliothek geschenkt wurden.
Der berühmte Zufallsfund im Regal
Doch so ganz unüblich sind solche Schenkungen offenbar nicht. Halldóra Kristínsdóttir, eine Expertin für Manuskripte an der Nationalbibliothek sagt, immer wieder tauchten Manuskripte in Bibliotheken auf. “Dies sind unglaublich schöne Manuskripte, und viel Energie ist in ihre Erschaffung geflossen. Es ist eine grosse Frage, warum die jetzt gefunden wurden. Aber sowas passiert in Museen auf der ganzen Welt, dass etwas auftaucht, von dem die Leute nicht wussten dass es existiert. Diese Manuskripte hatten zwischen gedruckten Büchern gesteckt, die zu Beginn des 20. Jh an die Bibliothek geliefert worden waren, und dort waren sie verblieben und nicht etwa in der Manuskriptabteilung der Bibliothek gelandet. Bis kürzlich eine Bibliothekarin bemerkte, dass sich in dem Regal Manuskripte befanden, und nicht etwa nur gedruckte Bücher.”
“Für uns in Island ist das sehr spannend, diese Manuskripte zu finden, weil es davon hier nicht viele gibt. Zum Beispiel das Gebetbuch in Latein, ein solches Buch gibt es sonst nicht in Island.”
Die Manuskripte sind nun digitalisiert worden und können auf der Webseite handrit.is angeschaut werden. Sie sollen in den kommenden Tagen auch in der Eingangshalle der Nationalbibliothek ausgestellt werden.