Bei Ausgrabungen am alten Nonnenkloster in Kirkjubæjarklaustur erblickt derzeit ein wertvolles Stück nach dem anderen das Tageslicht, berichtet RÚV. Vor 400 Jahren hatte sich dort eins der beiden benediktinischen Nonnenklöster in Island befunden – ein Ort wo längst nicht nur gebetet wurde. Bei den Grabungen tauchten unter anderem Perlen, Schleifsteine und Spindelwirtel auf. Im Juli hatte sich eine Archäologengruppe der Universität daran gemacht, das nach der Reformation geschlossene Kloster auszugraben.
Von Frauen geleitetes Handwerkszentrum
Mit seinen über 400 Jahren Betrieb, von 1186 bis 1543 ist das Nonnenkloster von Kirkjubæjarklaustur wohl bis zum heutigen Tag die Einrichtung im Land, die die längste Zeit von Frauen betrieben wurde. Die dort ansässigen Nonnen waren für ihre einzigartige Handwerkskunst bei der Herstellung von Wandteppichen, Zelten, Teppichen und anderer Kleidung bekannt. Einige sind offenbar mit ihrer Kunst auch in ausländischen Klöstern unterwegs gewesen.
Die akademische Leiterin der Ausgrabung, Professor Steinunn Kristjánsdóttir, hält vor allem die Textilarbeiten für ausgesprochen bemerkenswert. Viele Textilien sind mit bestickten Erzählungen in bildlicher Sprache ausgestattet und stellen daher einen historischen Wissensfundus dar. Steinunns Ansicht nach müsste man sich in Island viel mehr für die Erhaltung solcher kulturellen Funde einsetzen.
Zufluchtsort für misshandelte Frauen
Die Nonnen kümmerten sich aber nicht nur um Stickereien, sondern waren auch humanitäre Pionierinnen im ganz modernen Sinne: Sie öffneten ihre Tür für Arme und Kranke und auch für Frauen auf der Flucht vor häuslicher Gewalt. So gibt es den Bericht über eine Frau, die daheim von ihrem Mann geschlagen wurde und sich ins Kloster flüchtete. Der Bischof von Skálholt schlug sich auf die Seite des Ehemannes und versuchte, die Frau aus dem Kloster zu bekommen, doch die Äbtissin weigerte sich, ihren Schützling auszuliefern. Offenbar hat es in dem Nonnenkloster also auch eine Art Zufluchtshaus für misshandelte Frauen gegeben.
Die Quellen berichten von zwei berühmten Äbtissinnen, die die Namen Agatha und Agnes angenommen hatten. Die heilige Agnes gilt als Beschützerin vor Feuer und Vulkanausbruch, die heilige Agatha hingegen war die Beschützerin von Vergewaltigungsopfern, jungen Mädchen und keuschen Frauen.
Steinunn sagt, die Schliessung des Klosters nach der Reformation stellte damit einen grossen Schaden vor allem für die Frauen dar.
Landwirtschaftlicher Grossbetrieb
Unter den archäologischen Funden des Sommers befand sich auch ein Schleifstein, den man an einer Kette um den Hals tragen könnte, und mit dem Nadeln geschärft wurden, ausserdem das ein Blechfragment, das möglicherweise von einem Taufbecken stammt, ein Spindelwirtel, Keramikfragmente aus Tontassen, eine Perle aus einem Nummernband und ausländische Kleidungsfragmente.
Steinunn erklärt, dies alles weise darauf hin dass das Kloster von den Nonnen auf sehr ordentliche und seriöse Weise geleitet wurde, dass sie aber keine Erwähnung in den Geschichtsbüchern gefunden hätten. Viel öfter werde da Wert auf die Leistungen von Männern gelegt.
„Nur ein Beispiel, hier im Kloster von Kirkjubær hat es mehr als 1000 Schafe gegeben, genau genommen 1400, wenn man zu einem bestimmten Zeitpunkt die Lämmer mitzählt. Heute gilt sowas als Grossbetrieb, das wäre viel grösser als die meisten Schafhöfe hier im Land,“ erzählt Steinunn.