Etwa zwei Wochen nach Abgang der Schlammlawine in Seyðisfjörður können immer noch um die 15 Familien nicht in ihre Häuser zurückkehren, weil sie entweder vollkommen zerstört sind, oder im Evakuierungsbereich liegen. Einige Personen haben zur Zeit keinen Platz zum Leben, andere können nur ein paar Gegenstände aus zerstörten Häusern bergen, der Rest ist unbrauchbar. In einem Haus steht der Schlamm, eine Mischung aus Erdreich, Sand und Lehm, gut 80 Zentimeter hoch. Drei Wohnhäuser wurden unter den Schlammmassen völlig begraben, zwei sind stark zerstört, berichtet RÚV.
Framhús ist eins von ihnen. Dort lebte Haraldur Björn Halldórsson. Er war kurz vor der Lawine noch zuhause gewesen, um sich rasch umzuziehen, die Strasse war schon evakuiert worden, niemand hatte sich mehr in den Häusern befunden. Als der Schlamm den Berg herunterrutschte, pumpte Haraldur gerade Wasser und Matsch aus einem zuvor von einer Lawine getroffenen Nachbarhaus.
“Das wird in der Erinnerung unwirklich. Das ist mein Haus, ganz egal, ob es auf der Seite liegt oder nicht,” sagt er. “Eigentlich wusste man gar nicht, was da passiert, man hörte einen Krach, und das Haus ist auf einmal völlig zerstört. Das war so gesehen kein Katastrophenfall, aber natürlich schrecklich, das mitzuerleben.” berichtet er.
Der Schaden an dem 100 Jahre alten Gebäude ist gross. Zusammen mit der Familie hatte Haraldur das Haus in den vergangenen acht Jahren renoviert.
So mancher Einwohner von Seyðisfjörður traut sich nicht mehr nach Hause, und die, deren Haus im ausgeschriebenem Gefahrengebiet liegt, dürfen nicht mehr dort hin, weil sich am Berghang Risse gebildet haben. Haraldur ist jedoch entschlossen, sein Haus wieder aufzubauen, koste es was es wolle. Er habe sich dieses Haus und diesen Platz bewusst ausgesucht, und niemand es könne ihm verbieten, auch wenn er jetzt noch nicht weiss, wie die nächsten Schritte aussehen werden. Auf jeden Fall will er in Seyðisfjörður bleiben.
Ältestes Haus am Ort rutscht 50 Meter weit, Lebenswerk zerstört
Auch für Cordula Agnes Schrand sieht die Lage düster aus. Ihr gehörte das älteste Haus am Ort: Breiðablik war im Jahr 1902 errichtet worden. Cordula ist Schreinerin und wohnt in Deutschland, aber in den vergangenen 20 Jahren war sie zwei-bis viermal pro Jahr nach Seyðisfjörður gereist, um das alte Haus renovieren. Die Schlammlawine hatte Breiðablik etwa 50 Meter von seinem ursprünglichen Platz weggeschoben. An einer Strassenkreuzung liegt es nun mit zusammengebrochenem Untergeschoss halb auf der Seite.
“Das war mein Lebenswerk. Ich habe soviel Leidenschaft hineingesteckt. Das ist so, als ob die Geschichte eines Lebens zuende geht, und ich glaube, das ist noch schlimmer für meinen Sohn, und alle hier um uns herum, die uns geholfen haben, das Haus zu dem zu machen, was es am Ende war,” sagt Cordula. “Das bricht einem das Herz.”
Als die Lawine kam, hatte sich niemand im Haus befunden. Cordula war in Deutschland in Heimkehrerquarantäne gewesen und konnte nicht zurück, konnte nichts tun. Sie ist nun froh, nicht im Haus gewesen zu sein.
Das einzige was ihr bleibt, ist, wie viele andere im Ort, mit der Hilfe von Rettungsmannschaft und Feuerwehr persönliche Gegenstände aus dem Haus zu holen, darunter das Sofa ihres Urgrossvaters aus dem 19. Jahrhundert.
Eigentlich hatte sie vorgehabt, nach Seyðisfjörður in ihr Haus zu ziehen, wenn sie in Rente geht. Die Lawine hat alle Pläne auf den Kopf gestellt. “Ich will das Haus nicht an der selben Stelle wiederaufbauen, weil das wieder passieren kann. Ich bin jetzt sechzig, und ich weiss nicht, ob ich Kraft dafür habe.”