Die Polizeidirektion Nordostisland hat Ermittlungen gegen vier Journalisten im Zusammenhang mit deren Berichterstattung über das Fischereiunternehmen Samherji als Zentrum eines internationalen Skandals eingeleitet. Der Skandal um aufgekaufte Fischereiquoten in Namibia war in 2019 an die Öffentlichkeit geraten. Gegen die Journalisten wird nun wegen mutmasslicher Verletzung der Privatsphäre ermittelt. In diesem Fall haben sie den Status eines Angeklagten. Der isländische Journalistenverband hat die Ermittlungen verurteilt.
Bei den vier Journalisten handelt es sich um Aðalsteinn Kjartansson von Stundin, Arnar Þór Ingólfsson von Kjarninn, der Chefredakteur von Kjarninn, Þórður Snær Júlíusson, und Þóra Arnórsdóttir, die Chefredakteurin des Investigativmagazin Kveikur bei der staatlichen Sendeanstalt RÚV.
Bei den polizeilichen Ermittlungen geht es um im Mai 2021 durchgesickerte Kommunikation zwischen mehrere Samherji Mitarbeitern, die sich selbst als “Guerilla-Abteilung” des Unternehmens bezeichneten. Diese Mitarbeiter befassten sich damit, Informationen über Journalisten zu sammeln, die kritische bis negative Artikel über den Fischereiriesen veröffentlicht hatten und versuchten, sie zu diskreditieren und eine weitere Berichterstattung aus ihrer Feder zu verhindern.
Mehrere Regierungsmitglieder, darunter Premierministerin Katrín Jakobsdóttir und Finanzminister Bjarni Benediktsson, hatten Samherjis Angriffe auf die Medien verurteilt, nachdem die Untersuchung der “Guerilla-Division” ans Tageslicht gekommen war. Samherji gab eine Erklärung ab und liess als Reaktion auf den Fall später in den Printmedien Fréttablaðið und Morgunblaðið ein Entschuldigungsschreiben abdrucken.
Öffentliches Interesse versus Privatsphäre
Sigríður Dögg Auðunsdóttir, die Vorsitzende des isländischen Journalistenverbands, beschrieb die polizeilichen Ermittlungen in einer Erklärung auf der Verbandswebseite als “unfassbar” und “nicht zu verteidigen”. Sie sei konsterniert, dass gegen die Journalisten ermittelt werde, weil sie einfach nur über erhaltene Daten berichtet hatten.
“Wann immer Daten so beschaffen sind, dass sie als Verletzung der Privatspäre ausgelegt werden können, muss ein Journalist sie im Hinblick auf das öffentliche Interesse bewerten, und beurteilen, was mehr Gewicht hat: der Datenschutz oder das öffentliche Interesse,” schreibt Sigríður.
„Wenn das öffentliche Interesse überwiegt, stellt sich niemals die Frage, ob solche Daten als Grundlage für Nachrichten verwendet werden sollten, ganz gleich, wie die Informationen gewonnen wurden.“
Der Berichterstattung der Journalisten lagen durchgesickerte Privatnachrichten zugrunde, RÚV zufolge aus einem gestohlenen Smartphone. Wie die Journalisten an die Daten gekommen sind, ist nicht bekannt. Þórður Snær Júlíusson, einer der Vorgeladenen, sagt, die Polizei habe ihm mitgeteilt, er stehe nicht unter Verdacht, das Smartphone gestohlen zu haben, die polizeilichen Ermittlungen befasse sich vielmehr mit dem Verdacht der Verletzung der Privatspäre nach Artikel 228 und 229 des Strafgesetzbuches.
“Das sind die Vorschriften, gegen die wir verstossen haben. Es bedeutet, dass wir Nachrichten aus den Daten geschrieben haben, es gibt wirklich nichts anderes, was darunter fällt.” sagte Þóður Snær RÚV gegenüber.