Gestern sind drei Polizisten in einem in Ostisland registrierten Polizeifahrzeug nach Gautavík im Berufjörður gefahren. Sie hatten sich auf den Weg gemacht, um für die isländische Arzneimittelbehörde herauszufinden, ob auf dem Hof illegale Pflanzen gezogen werden, berichtet das Bændablaðið.
Wie die Bewohner von Gautavík erzählen, hätten die Polizisten das Gelände erkundet, sie waren dabei sowohl draussen als auch in den Gebäuden, und zwar mit Erlaubnis des Bauern, weil sie keinen richterlichen Durchsuchungsbefehl vorweisen konnten.
Es wurden Fotos vom Umfang des Nutzhanfanbaus vor Ort aufgenommen, von Erzeugnissen und Papieren, wie etwa die schriftliche Erlaubnis der Lebensmittelüberwachungsbehörde MAST zum Import von Saatgut, ausserdem wurden Proben genommen.
Die Bauern wurden nicht verhört, da sie das Recht haben, erst mit ihrem Anwalt zu sprechen, bevor sie polizeilich verhört werden.
Im vergangenen Sommer hatten die Bauern auf Gautavík auf einem Hektar Land mit einem Versuchsanbau von Nutzhanf begonnen. Sie wollten damit auf die Verwendbarkeit des Rohstoffs aufmerksam machen, geplant war, Hanfplatten für den Zuschnitt von Modellbausätzen herzustellen. Bisher wird dafür Hartpappe verwendet. Die Hanfplatten wären nachhaltiger in der Produktion. Der Hanfanbau verlief trotz des nassen Sommers recht erfolgreich.
Die Samen waren im vergangenen Frühjahr mit Erlaubnis der Lebensmittelüberwachungsbehörde offiziell importiert worden. Sie hatten eine MAST-Nummer erhalten, nachdem das Zertifikat des Samenherstellers eingegangen war, dass das Saatgut desinfiziert sei und weniger als 0,2 Prozent THC enthalte. Dieses Zertifikat müssen alle Importeure von ausländischem Saatgut ausfüllen. Das Saatgut für Gautavík war auch vom isländischen Zoll ordnungsgemäss abgefertigt worden.
Oddný Anna Björnsdóttir, die Landwirtin auf Gautavík, sagte dem Bændablaðið, dass im Parlament kürzlich ein Gesetz debattiert worden sei, nach dem sämtliche Kannabispflanzen als Rauschgift klassifiziert sind, ganz gleich, welche Menge THC sie enthalten.
“In der Debatte ging es darum, dass man genau das ändern müsse, weil es vermutlich auf einem Missverständnis beruhe, und dass es nicht Ziel des Gesetzgebers sei, den Gebrauch von Nutzhanf zu verbieten, sondern nur die Kannabispflanzen, die mehr als nur Spuren von THC enthalten.”
Nutzhanf, so erklärt die Landwirtin, wird inzwischen in grossem Stil in Europa, den USA und Kanada angebaut und gilt als umweltfreundlichste Pflanze der Welt. Aus Hanf kann man nicht nur Lebensmittel und Tierfutter, sondern auch Textilien, Papier, Platten, Fussbodenbelag, Beton, Fahrzeugteile, umweltfreundliches Plastik und vieles mehr herstellen. Die beiden Konzerne Lego und Levi seien derzeit dabei, ihre Produktion von Plastik und Baumwolle auf Hanf umzustellen.
MAST habe, so Oddný, nach der Parlamentsdebatte alle Anfragen zur Einfuhr von Hanfsamen an die Arzneimittelbehörde geschickt, die obige Absage erteilte: Hanf in jeglicher Form und egal mit welchem THC-Gehalt ist in Island verboten.
Im Jahr 2012 hatte das noch anders ausgesehen. Damals hatte die Behörde zunächst die Einfuhr von Lebensmitteln, die aus Hanfsamen hergestellt sind, verboten, weil sie der Ansicht war, dass diese berauschend und suchtauslösend wirken.
“Dann jedoch änderte die Behörde ihre Ansicht, als sich herausstellte, dass die Erzeugnisse aus Nutzhanf hergestellt waren, der weder Rauch noch Sucht auslöst, ausserdem waren diese Erzeugnisse innerhalb der EU anerkannt und wurden dort als Gesundheitsprodukte vermarktet.” sagt Oddný. “Zusätzlich gestattete die Umweltbehörde die Einfuhr von Hygiene- und Kosmetikartikeln, die aus den Samen des Nutzhanfs hergestellt worden waren.”
Seit der Zeit hatten die Bauern auf Gautavík die Erlaubnis von MAST, Hanfsaatgut einzuführen, unter der Voraussetzung, dass dieses Saatgut weniger als 0,2 Prozent THC enthalte, genau wie es im Reglement der EU vermerkt ist. MAST war an den Hanfversuchen im Jahr 2008 und 2013 beteiligt bzw habe davon gewusst. Beide Zuchtversuche hatten mit schriftlicher Erlaubnis der Arzneimittelbehörde stattgefunden.
Die Hanfbäuerin fragt sich, ob die Polizei nun nicht auch die Lebensmittelgeschäfte besuchen müsse, die Öle und Samen aus Hanf im Rega stehen haben, und auch Apotheken und Reformhäuser und all die Läden, wo Hygieneartikel und Kosmetika und Kleidung, und Einkaufstaschen und Seile und Segeltuch aus Hanffasern verkauft würden.
Die Ministerin für Tourismus, Industrie und Innovation, Þórdís Kolbrún Reykfjörd Gylfadóttir wolle, so sagt Oddný, sich der Sache nun annehmen und alle beteiligten Parteien an einen Tisch holen, um Hindernisse in der Gesetzgebung aus dem Weg zu räumen, die Erzeugern und Konsumenten das Leben derzeit schwermachten.
Ein Anwalt habe Oddný beruhigt, sie müsse keine Klage fürchten, weil sie ja die Importerlaubnis von MAST habe, und damit ganz normal habe erwarten können, dass die Einfuhr der Samen legal gewesen sei.
“Wir schlafen nun etwas ruhiger, aber wir halten es für wichtig, dass diese Änderungen so schnell wie möglich durchgeführt werden, damit all die Leute, die am Hanfanbau Interesse gezeigt haben, gleich nächsten Sommer, oder im Gewächshaus schon früher loslegen können.”