Die Schiffssbesatzung des Gefriertrawlers Júlíus Geirmundsson, die Anfang der Woche mehrheitlich (22 von 25 Mann) positiv auf das neuartige Sars-CoV-2 Virus getetstet worden war, hatte offenbar entgegen erster Meldungen doch mehr oder weniger schwere Ssymptome der COVID-19 Infektion auf See entwickelt. Zunächst hatte es gehiessen, die Seeleute seien kaum krank. Trotz Ausbruch der Krankheit war das Schiff für 23 Tage auf See geblieben und erst am vergangenen Samstag zum Tanken in den Hafen von Ísafjörður gekommen. Hier waren die Seeleute dann auch getestet worden.
Noch vor Eintreffen der Ergebnisse hatte der Trawler den Hafen wieder verlassen und alle Erkrankten an Bord gehabt. Als die Ergebnisse vorlagen, musste das Schiff kehrtmachen, die Seeleute wurden an Land je nach Stand der Infektion in Isolation und Quarantäne verteilt.
Gefrierhaus wäscht die Hände rein
Über diese Aktion ist nun die ausrichtende Gefrierfabrik HG Gunnvör unter Beschuss geraten. Sie hatte auf ihrer Webseite eine Erklärung veröffentlicht, nach der es hiess “Das Unternehmen informiert, dass kurz nachdem sich die ersten Grippesymptome bei der Besatzung zeigten, Kontakt zum Gesundheitszentrum der Westfjorde aufgenommen worden ist. Zu dem Zeitpunkt sah man keinen Grund, das Schiff in den Hafen zurückzubeordern. Als sich nach drei Wochen beim Fischfang durch den Test herausstellte, dass sich alle Besatzungsmitglieder mit COVID-19 an Bord angesteckt hatten, wurde das Schiff sofort in den Hafen zurückgebracht. Mit unserem heutigen Wissen hätte man das Schiff vorher in den Hafen beordern und alle Besatzungsmitglieder testen müssen.”
Anweisungen wurden missachtet
Mit dieser Erklärung sind nicht alle einverstanden. Für so manchen klingt sie so, als ob das Gesundheitszentrum grünes Licht für die Weiterfahrt gegeben habe. Die Bezirksseuchenschutzärztin Súsanna Björg Ástvaldsdóttir sagt jedoch, ihre Anweisungen seien sehr einfach, wenn es um Leute mit COVID-19 Symptomen gehe: es spiele keine Rolle, ob sie sich zu Land oder zu Wasser befänden, sie müssten sich sofort zum Test begeben. Sie hatte das Unternehmen mehrfach aufgefordert, das Schiff in den Hafen zu bringen, doch war man der Aufforderung nicht nachgekommen.
Chefmaschinist Hákon Blöndal findet noch deutlichere Worte. “Das ist hässliches, verfluchtes menschliches Versagen und eine Drecksschlacht. Hier wird nicht die ganze Geschichte erzählt, und die Leute sollten sich in die Augen schauen und Fehler zugeben,” wettert er in einem Facebookbeitrag. “Bei Verdacht einer Infektion an Bord muss der Kapitän sich mit der Küstenwache in Verbindung setzen, die über den nächsten Schritt entscheidet. In diesem Fall war dieser Anweisung nicht Folge geleistet worden, es wurde nicht im Zweifel für die Mannschaft agiert, und sie in grosse Gefahr gebracht!”
Ásgeir Erlendsson, der Pressesprecher der Küstenwache, sagte am Morgen Vísir gegenüber, die Küstenwache habe keine Meldung über die erkrankten Seeleute erhalten.
Kapitän Sveinn Geir Arnasson hat sich zu keinem Zeitpunkt in der Angelegenheit geäussert.
Geringschätzung für die Mannschaft
Der Dachverband der isländischen Seemannsgewerkschaften veröffentlichte ebenfalls eine Erklärung zu dem Vorfall. Wenn man die Aussage der Bezirksseuchenfachärztin darüber betrachte, wie ihre Aufforderung zur Rückkehr in den Hafen mehrfach ignoriert worden sei, dann zeige die Antwort des Unternehmens Geringschätzung für seine Mannschaft. “Das Unternehmen scheint nur an seinen finanziellen Gewinn gedacht zu haben, ohne auf die Gesundheit und das Wohlergehen der Besatzung zu achten. Die Gewerkschaft der isländischen Seeleute verurteilt die Geringschätzung, die das Unternehmen der Schiffsbesatzung gegenübergebracht hat, indem sie trotz Krankheit an Bord das Fischen fortgesetzt hat.”
Das Unternehmen habe gegen sämtliche Seuchenschutzmassnamen in Pandemiezeiten verstossen. Der Dachverband verlangt, dass isländische Fischereiunternehmen beim Auftreten von Krankheiten an Bord die Richtlinien minutiös befolgen, und dass sie Leben und Wohlergehen der Mannschaft in diesen gefährlichen Zeiten nicht unnötigen Risiken aussetzen.
Gewaltsam auf See festgehalten, Kontaktsperre
Gestern stellte sich heraus, dass zahlreiche Seeleute doch kränker waren als zunächst berichtet, laut Vísir litten sie unter anderem unter hohem Fieber, Grippesymptomen und Atemproblemen. Der Kapitän, so zitiert Vísir die Seemannsgewerkschaft, habe die Erkrankten in Isolation in ihre Kajüte gesteckt, die Kajütennachbarn hätten im Fernsehraum schlafen müssen, ohne an ihre privaten Gegenstände zu dürfen. Ein Seemann nach dem anderen sei krank geworden. Ihre wiederholten Bitten, den COVID-Test machen zu dürfen, wurden ignoriert. Als die Medikamente knapp wurden, habe es eine Vorzugsliste gegeben, wer Medizin bekam und wer nicht.
Die Gewerkschaft der Seeleute gibt Vísir zufolge an, die Seeleute auf der Júlíus Geirmundsson seien “in Krankheit gewaltsam bei der Arbeit auf See festgehalten worden”, während die Infektionskrankheit auf dem Schiff grassierte. Auf See habe es eine Kontaktsperre für die Seeleute gegeben, niemand habe mit der Presse sprechen dürfen. Mit der Familie hätten sie sprechen dürfen, es sei aber verboten gewesen, die Krankheit zu erwähnen.
Inzwischen prüft die Polizei, ob in dem Fall strafrechtlich ermittelt werden muss. Bislang liegt keine Anzeige vor. Weder Seeleute noch Angehörige wollen sich zu dem Skandal äussern, auch vom Gefrierhaus und Gesundheitszentrum gibt es derzeit keine Kommentare.