Bei einer Podiumsdiskussion auf Stöð2 ging es am Abend einmal mehr um den Blutstutenskandal. Unter anderem erneuerte die Vorsitzende des Tierärzteverbandes, Bára Eyfjörð Heimsdóttir, ihre Bedenken, ob der landwirtschaftliche Zweig der Blutgewinnung nicht zu stark gewachsen sei, weil man der Aufsichtspflicht offensichtlich nicht in allen Fällen mehr gerecht werde. Dennoch stehe ihr Verband hinter dem landwirtschaftlichen Zweig, weil man der Ansicht sei, dass die Blutgewinnung pferdefreundlich durchgeführt werden könne.
Auch der Vorsitzende des Pferdezuchtverbandes, Sveinn Steinarsson, bekräftigte, die Blutgewinnung sei machbar und für seinen Verband auch ethisch vertretbar. Das Vertrauen in das Unternehmen Ísteka hingegen, welches die Blutgewinnung vornimmt und unter Pferdehaltern regelmässig Stuten für die Nutzung sucht, sei gebrochen.
Die Vorsitzende des Trainerverbandes FT, Súsanna Sand Ólafsdóttir, erklärte unter anderem, ihr Verband habe die Mitglieder nach ihrer Haltung zum Blutgeschäft befragt. Bei der Umfrage hätten sich 98 Prozent der Befragten für ein Verbot des Blutfarmings ausgesprochen.
Alle drei waren sich einig, dass man nicht MAST alleine den Verwurf der Tatenlosigkeit machen dürfe, auch die Betreiber der Blutfarmen müssten Verantwortung für das Wohlergehen ihrer Pferde schultern.
Ísteka kündigt Massnahmenkatalog an
Arnór Guðlaugsson, der Geschäftsleiter des Biotechnologieunternehmens Ísteka ehf, welches das Stutenblut zur Hormonextrahierung aufkauft und im letzten Jahr einen Exportumsatz von 2 Mrd ISK erwirtschaftete, blieb der Podiumsdiskussion trotz Einladung fern. Er übersandte jedoch ein Schreiben, in welchem er einen Massnahmenkatalog ankündigte. Demnach sei geplant, ein Auswahlverfahren für in Frage kommende Blutstuten zu schaffen, das Design der Fixierstände zu überarbeiten, menschliches Verhalten zu überprüfen, und mehr Aufklärung zu betreiben, ausserdem wolle man Sicherheitsbeauftragte für den Tierschutz einstellen und Überwachungskameras aufhängen.
Learned helplessness der Blutstuten
Die Tierärztin Ingunn Reynisdóttir, Tochter des verstorbenen Pferdetrainers Reynir Aðalsteinsson, veröffentlichte am Abend auf ihrer Facebookseite folgenden Text zum Thema:
“Im Interesse des Pferdes
Blutstute, ist das irgendeine andere Pferderasse, gelten da andere Regeln für diese Stuten als für andere Pferde? Nein, kein Gesetz und kein Regelwerk gelten besonders für die Blutstuten oder die Blutgewinnung. Ich gehe daher einfach mal davon aus, dass die Blutstute ein Pferd wie alle anderen Pferde ist, und unter das gleiche Gesetz und Regelwerk zu Tierwohl und Haltung fällt wie die anderen.
Im Tierschutzgesetz 2013 nr.55 8. April steht explizit zu lesen, Ziel dieser Gesetzgebung sei es, das Wohl der Tiere zu fördern, was bedeutet, dass sie kein Unwohlsein, Hunger oder Durst, Angst und Leiden, Schmerzen, Verletzung und Krankheit erleiden sollen, weil Tiere Lebewesen mit Empfindungen sind. Des weiteren sollen die Tiere ihr natürliches Verhalten ausleben dürfen.
Im Gesetz zum Tierschutz für Pferde 910/2014 steht zu lesen, Zweck der Gesetzgebung sei die Sicherstellung von Wohlbefinden und Gesundheit durch gute Behandlung, Versorgung und bauliche Anlagen. Es ist sicherzustellen, dass Pferde so weit wie möglich ihrem natürlichen Verhalten entsprechend leben können. Art. 9 des Gesetzes verbietet, ein Pferd mit starren Ausrüstungsgegenständen in eine bestimmte Kopfhaltung zu zwingen, oder Pferde durch Anbinden oder andere Zwangsmassnahmen zur Aufgabe zu bringen.
Ich behaupte hier, dass die Blutgewinnung aus Stuten in den meisten Fällen eine Verletzung dieses Regelwerkes ist. Warum? Ja was passiert, wenn die Stute in die enge Fixierbox getrieben wird, wo sie weder zurück noch zur Seite gehen kann. Ihr wird ein Halfter übergestreift und der Kopf wird hochgezogen, und in vielen Fällen wird ein Streckgurt über ihren Rücken gespannt, sodass sie unter keinen Umständen der Situation entkommen kann, in die sie gebracht wurde. Was passiert in einem Pferd, welches in eine solche Lage gebracht wird? Oft versucht es zu kämpfen, oder es legt sich ab. Aber wenn sie herausfinden, dass, ganz gleich was sie tun, sie dem Stress nicht entkommen, dann geben sie auf.
Die Pferde können in den Zustand der Learned Helplessness fallen, welcher als mentaler Zustand definiert wird, wo ein Tier/Person lernt, dass es keine Kontrolle über eine unangenehme oder schädigende Situationen hat, jede ihrer Reaktionen läuft ins Leere und sie sind hilflos. Dies kann dauerhafte biologische Konsequenzen nach sich ziehen, die weiter und tiefer gehen als der blosse Umstand, dass sie einem Stress oder Schmerz nicht entkommen können.
Wenn Pferde einem Schmerz oder Stress nicht entkommen können, besteht ihre Lösung darin, sich ruhig und inaktiv zu stellen, um das Interesse des Raubtieres nicht zu wecken. Bei diesen Pferden ist die Menge des Stresshormons Cortisol erhöht, ausserdem finden sich oft Magengeschwüre und ein schlechtes Immunsystem.
Im Jahr 2014 hatten Gründe vorgelegen, das Gesetzeswerk zum Tierschutz bei Pferden zu ergänzen, nachdem es einen Fall gegeben hatte, bei dem Pferde mit Seilen abgelegt wurden. Seitdem existiert der Paragraph zum Ausbinden und Herunterbinden, demzufolge man Pferde nicht mit Fesseln oder anderen Zwangsmassnahmen zur Aufgabe bringen darf. Die Veterinäraufsichtsbehörde erhob sich damals auf die Hinterfüsse und verurteilte das Tun, wofür ich ihnen dankbar bin. Wie aber kommt es, dass das Gleiche nicht für die Blutstuten gilt?
Ich möchte nicht viel Worte über den Verlust unseres Rufes verlieren, den wir als Volk der Pferdeleute gerade erleben. Aber die Islandpferdefreunde und Islandfreunde auf der ganzen Welt schauen in Verwunderung auf uns und fragen sich, wie wir eigentlich derart mit unseren einzigartigen Pferden umspringen können. Das wird unser ewiger Schandfleck bleiben.
Ingunn Reynisdóttir, Tierarzt und Pferdemensch”