Ein Lektor der Dania-Hochschule im dänischen Jütland ist der Ansicht, dass die Blutstutenwirtschaft in Island seit Auslaufen der letzten Genehmigung des blutnutzenden Unternehmens Ísteka im Jahr 2020 an allen gesetzlichen Bestimmungen vorbei gelaufen ist, berichtet das Fréttablaðið. Björn M. Sgurjónsson von der Dania-Hochschule in Randers wundert sich, dass die isländische Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsbehörde MAST die Blutstutenhalten nach 2020 überhaupt noch erlaubt hat.
„Es besteht kein Zweifel daran, dass die Blutgewinnung seit dieser Zeit ungesetztlich ist,“ sagte Björn in einem Interview. Er war als einer der Experten heute zu einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses beim Parlament geladen worden, wo auch Mitglieder isländischer Tierschutzverbände zusammen mit Politikern den parlamentarischen Vorschlag von Volkspartei-Vorsitzender Inga Sæland, die Blutstutenhaltung in Island zu verbieten, diskutierten.
Island ist das einzige Land in Europa, wo die Blutgewinnung aus tragenden und laktierenden Stuten erlaubt ist. Aus dem Blut wird ein Hormon extrahiert, welches in der Nutztierzucht Anwendung findet, unter anderem zur Zyklussteuerung bei kleinen Ruminanten und als Fruchtbarkeitsmedikament in der Schweinezucht.
Gesetz von 2013/14 verbietet Tierversuche und nicht-therapeutische Eingriffe
Die neuen gesetzlichen Bestimmungen behandeln die Blutgewinnung in keinem der Paragraphen, damit sei diese Praktik automatisch nicht gesetzeskonform. Es sei dem Tierschutzgesetz aus dem Jahr 2013 nach verboten, Tierversuche anzustellen oder Medikamente aus dem Material von lebenden Tieren herzustellen. In der Novelle aus dem Jahr 2014 stehe auch klar formuliert, dass Tierärzte an Pferden ausschliesslich therapeutische Eingriffe vornehmen dürfen.
Für die Blutgewinnung wird der gefesselten Stute zunächst ein Betäubungsmittel gespritzt, danach wird die Halsvene mit einer bleistiftdicken Kanüle punktiert, aus der achtmal pro Sommer jedesmal bis zu fünf Liter Blut entnommen werden. Schweizer Pferdefachtierärzte hatten die Blutmenge als viel zu hoch bezeichnet und das Fehlen von wissenschaftlichen Studien und Daten kritisiert.
Wurde etwas übersehen?
Björn sagt, Gesetze und Regeln zum Tierschutz und zur Pferdehaltung hier in Island seien in diesem Jahrhundert oft geändert worden, daher habe die Veterinäraufsichtsbehörde ein wichtiges Detail möglicherweise übersehen. Begonnen habe die Geschichte im Jahr 2002, als ein Gesetz in Kraft trat, welches MAST das Recht einräumte, Unternehmen die Genehmigung zur Blutgewinnung zu erteilen. Das Unternehmen Ísteka habe damals die Genehmigung für jedesmal vier Jahre erhalten. Die letzte vierjährige Genehmigung sei 2016 erteilt worden und 2020 ausgelaufen. „Mir scheint, die Behörde hat das einfach nicht gemerkt.“ meint Björn.
Ausschuss schafft Blutstuten nicht vor der Sommerpause
Der Wirtschaftsausschuss des Parlaments hatte Inga Sælands Gesetzesvorlage zum Verbot der Blutstutenhaltung heute auf dem Tisch liegen. Der Ausschussvorsitzende Stefán Vagn Stefánsson gab an, die Angelegenheit sei weit von einer Entscheidung entfernt. Ausserdem nähere sich die Parlamentssaison der Sommerpause und es gebe noch zahllose Themen, die einer Entscheidung harrten. Er halte es für unwahrscheinlich, dass die Blutstutengeschichte abgeschlossen werden könne. Es stehe auch nicht zur Debatte, alle 137 Personen, die die Gesetzesvorlage beim Parlament schriftlich kommentiert hätten, zur Sitzung zu laden. Dennoch gebe es auch innerhalb des Ausschusses ausgesprochen unterschiedliche Ansichten, daher werde die Zeit zu knapp, um das Thema zu bearbeiten und zur Abstimmung ans Parlament weiterzugeben.
Die Ereignisse um den Vorschlag, die lukrative Blutstutenhaltung in Island ein für alle Mal zu verbieten, begannen im Frühjahr 2021.
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