Die Notaufnahme hat von Januar bis Oktober 131 Fälle von sexueller Gewalt behandelt. Im Jahr 2020 waren es 130 Fälle in 12 Monaten gewesen. Neunzehn Personen mussten sich wegen Gruppenvergewaltigungem in der Ambulanz behandeln lassen, in 2020 waren es 13 gewesen, berichtet das Fréttablaðið. Aktivisten fordern klarere Bestimmungen, um die Opfer von gezieltem Drugging besser zu unterstützen.
Das Setzen unter Drogen ohne Einverständnis (drugging) und sexuelle Gewalt haben in den vergangenen Tagen im Fokus des öffentlichen Interesses gestanden. Die Anzahl der Gruppenvergewaltigungen (zwei oder mehr Täter) sind seit letztem Jahr gestiegen, und Hrönn Stefánsdóttir, eine Projektmanagerin für Opfer von sexueller Gewalt in der Notaufnahme gibt an, dass es in diesem Jahr auch mehr Übergriffe durch Freunde oder Bekannte von Opfer gegeben habe. Hrönn sagt, das könnte ein Grund für die geringe Anzahl von Fällen sein, die bei der Polizei zur Anzeige kommen. Von den 130 Fällen, die im letzten Jahr in der Ambulanz behandelt wurden, waren nur 43 der Polizei gemeldet worden.
“Es kann für Opfer noch schwieriger sein, die Tat zu melden, wenn es sich um einen Freund oder Bekannten handelt, oder sogar ein Familienmitglied,” sagt Hrönn. “Die Gesellschaft fragt oft, warum die Leute das nicht zur Anzeige bringen, oder den ‘richtigen Weg’ wählen, aber so einfach ist das nicht. Selbst wenn die Leute anzeigen, werden nur 12 bis 20 Prozent aller Fälle verfolgt, und Fälle werden zu den Akten gelegt, obwohl die Leute den ‘richtigen Weg’ eingeschlagen haben.”
Die Notaufnahme kümmert sich vor allem um die physischen und psychischen Verletzungen der Opfer, sammelt Beweise und Fotos. Die Beweisstücke werden nur für ein Jahr aufbewahrt.
Die meisten Opfer, die im vergangenen Jahr in der Ambulanz Hilfe erbaten, waren im Alter zwischen 18 und 25 Jahren (52 von 130 Personen), weitere 32 Personen waren zwischen 26 und 35 Jahren. Neunzehn Opfer waren 16 und 17 Jahre alt, sechs Opfer waren im Alter zwischen 10 und 15 Jahren.
Druggingopfer stehen oft im Regen
Steinunn Gyðu- og Guðjónsdóttir, eine Sprecherin von Stígamót, einem Zentrum für Überlebende von sexueller Gewalt, sagte RÚV, es habe Fälle gegeben, wo Druggingopfer keine Behandlung in der Ambulanz erhalten haben, obwohl sie darum gebeten hatten. Stígamót hilft auch Druggingopfern, die nach dem Drogenkonsum nicht vergewaltigt wurden.
“Die Leute kommen regelmässig zu uns, nachdem sie mit Drogen vollgepumpt wurden, ohne dass sie danach Gewalt erlebt haben, wie eine Vergewaltigung oder andere Verbrechen. Sie erleben oft eine totale Verwirrung und Hilflosigkeit. Sie rufen den Krankenwagen und erhalten keine Hilfe, oder sie gehen ins Krankenhaus und ihnen wird kein Blut abgenommen, weil es ja kein Gewaltverbrechen gegeben hat,” erklärt Steinunn.
Mehr als 130 Opfer von Drugging und sexueller Gewalt hatten seit vergangenen Samstag ihre Geschichten auf einer Twitter-Seite geteilt. Viele berichten, dass die Institutionen ihren Zustand dem Alkoholkonsum zugeschrieben hätten und sogar Bitten um Blutabnahmen abgelehnt hätten. Ninna Karla Katrínardóttir von der Aktvistengruppe Öfgar sagt, klarere Bestimmungen bei Polizei, Gesundheitssystem und der Notaufanhme seien bei der Behandlung solcher Fälle vonnöten. Nachtclubs könnten ebenfalls ihre Vorgehensweisen besser gestalten und das Personal darin trainieren, Drugging zu erkennen und entsprechend zu reagieren.
In einem Interview auf Vísir hatte Justizministerin Áslaug Arna Sigurbjörnsdóttir betont, wie wichtig es sei dass das Justizwesen die Druggingfälle ernstnehme und Täter verantwortlich mache. Eins der Haupthindernisse in solchen Fällen sei jedoch die Beweislage. Drugging ist nach isländischen Gesetz ein Verbrechen, und Áslaug glaubt nicht dass die Bestimmungen notwendigerweise geändert werden müssen, um an das Verbrechen anders heranzugehen. Es könnte jedoch schon helfen, die Vorgehensweise im Gesundheitswesen in solchen Fällen zu überprüfen.